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Recruiting bei den Wiener Stadtwerken: „Die Aufgaben verändern sich enorm“

Die Wiener Stadtwerke stehen vor einer großen Transformation. Bis 2040 soll Wien klimaneutral sein. Für diese Mammutaufgabe braucht der Konzern zahlreiche Mitarbeitende. Wie das im Recruiting gelingen kann, beschreibt Elisabeth Krims, Leiterin Recruiting bei den Wiener Stadtwerken, im Interview.  

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den nächsten Jahren in Pension. Inwiefern trifft die Pensionierungswelle die Wiener Stadtwerke?

In den nächsten Jahren stehen Tausende Pensionierungen an. Im Zuge der strategischen Personalplanung für die nächsten zehn Jahre haben wir aber festgestellt, dass die natürliche Fluktuation von den Zahlen her tatsächlich noch stärker ins Gewicht fällt. Bei 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommen auch bei einer geringen Fluktuationsquote hohe Fallzahlen zusammen. Diese Personalveränderungen führen im Endeffekt dazu, dass wir uns in den nächsten zehn Jahren als Organisation von Grund auf erneuern werden. Wir werden somit sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, einstellen, onboarden und entwickeln.

Elisabeth Krims, Leiterin Recruiting, Wiener Stadtwerke GmbH

Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Ein wichtiger Schritt war, dass wir in den vergangenen Jahren in einem Employer-Branding-Strategieprozess analysiert haben, wie wir als Wiener Stadtwerke Gruppe gemeinsam auftreten und uns gegenseitig unterstützen können, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Dafür haben wir eine Arbeitgebermarke aufgebaut, die stark auf das Thema der Klimawende setzt.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in dieser Hinsicht?

Die Stadt Wien will bis 2040 klimaneutral sein – und wir als Klimaschutzkonzern setzen diese Strategie durch Transformationen in Bereichen wie Mobilität und Energie um. Dafür brauchen wir Menschen mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen. Dazu gehören nicht nur Fachkräfte, die Photovoltaik-Anlagen warten oder den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Letztlich zahlen alle Jobs bei den Wiener Stadtwerken auf die Gesamtstrategie ein.

Wir suchen in großer Zahl Menschen mit handwerklichen Skills für die Arbeit in Kraftwerken oder Werkstätten. Aber wir benötigen auch Personal im Projektmanagement oder in der IT. Die Bandbreite ist groß. Wir haben täglich Hunderte von Stellen offen – und wir rekrutieren viel. Allein im Jahr 2023 hatten wir inklusive Praktikant:innen und Lehrlingen rund 3.500 Neuaufnahmen.

Wie sprechen Sie im Recruiting verschiedene Zielgruppen an?

Wir sind der Meinung, dass es im Recruiting keine “One fits all”-Lösung gibt. Stattdessen muss man sich ganz genau anschauen, wer die potenziellen Mitarbeitenden sind, um dann in einen Dialog mit ihnen zu treten. Daher haben wir uns in der Personalplanung angesehen, was die Professionen, Qualifikationen und Kompetenzen sind, die wir in Zukunft besonders benötigen. Diese haben wir geclustert, um herauszufinden, welche wir als Wiener Stadtwerke Gruppe gemeinsam ansprechen können. Am weitesten sind wir dabei im IT-Recruiting.

Wie funktioniert das IT-Recruiting?

Wir haben ein eigenes IT-Recruiting-Team gebildet, das sich eng mit den IT-Fachbereichen aus den verschiedenen Konzernunternehmen austauscht. Jede Suche startet mit einem Kick-off, bei dem wir besprechen, welche Kanäle wir nutzen können, um die Position zu besetzen. Die Fachbereiche unterstützen uns, indem sie offene Stellen in ihren Netzwerken teilen oder Vorträge auf Veranstaltungen halten. Wir haben ein Jobbotschafter:innen-Programm ins Leben gerufen und bereits ein gutes Netzwerk von IT-Kräften aufgebaut, die uns auf Messen repräsentieren.

Haben Sie auch den Bewerbungsprozess verändert?

Ja, wir haben uns Feedback von Bewerberinnen und Bewerbern eingeholt. Ein Ergebnis war, dass IT-Fachkräfte heute bereits im Erstgespräch oder sogar schon vor der Erstrunde direkt mit den ITlern der Wiener Stadtwerke über Projekte sprechen können, an denen wir arbeiten. Der direkte Austausch auf Augenhöhe mit unseren Expert:innen steht hier beim ersten Kennenlernen im Vordergrund.

Die Bedürfnisse der Bewerberinnen und Bewerber stehen somit im Fokus. Daher haben wir auch ein neues Bewerbermanagementsystem eingeführt, das es den Kandidatinnen und Kandidaten ermöglicht, sich mit wenigen Klicks zu bewerben. Nach der Implementierung haben wir gesehen, dass die Zahl der Bewerbungen gestiegen ist – und es weniger Abbrüche des Prozesses gibt.

Wie gelingt es, Führungskräfte aus den Fachbereichen für eine Mitarbeit im Recruiting an Bord zu holen?

Wir haben im IT-Bereich begonnen, weil die Kolleginnen und Kollegen schon stärker für den Fachkräftemangel sensibilisiert sind und wissen, dass sie mithelfen müssen, gute Leute zu finden. Aber wir unterstützen sie auch. So haben wir ein Training für Fach- und Führungskräfte konzipiert, bei dem wir – teilweise sehr spielerisch – vermitteln, wie die Fachbereiche Verantwortung im Recruiting übernehmen können. So haben wir bei einer Veranstaltung über ein Impro-Theater Dos und Don’ts von Personalsuche und Bewerbungsgesprächen dargestellt und anschließend gemeinsam reflektiert.

Natürlich gibt es Fachbereiche, die wenig Ressourcen haben, sich mit Recruiting zu beschäftigen und Interviews zeitnah wahrzunehmen. Das kann problematisch sein, weil Geschwindigkeit im Recruiting enorm wichtig ist. Daher müssen wir intensiv Überzeugungsarbeit leisten. Erfahrungsgemäß ist es leichter, Führungskräfte zur Mitarbeit zu bewegen, wenn sie akut jemanden suchen. Das ist effektiver, als pauschal zu sagen, „Ihr müsst das machen, weil es zu eurem Job gehört.“ Die unmittelbare Betroffenheit hilft also. Auf der anderen Seite trägt die mediale Präsenz des Fachkräftemangels auch dazu bei, dass allen im Unternehmen bewusster wird, dass sie ihren Beitrag leisten müssen.

Wenn Recruiting immer mehr zu einer Art Querschnittsaufgabe wird, inwieweit verändert sich dann die Rolle des Recruiters und der Recruiterin?

Die Aufgaben im Recruiting verändern sich gerade enorm. Die Bandbreite der Tätigkeiten wächst und Beratung gewinnt an Bedeutung. Wir haben in unserem Team sehr stark an unserer Rolle gearbeitet und gemeinsam Zielbilder entwickelt, um herauszufinden, wo wir hinwollen und was wir dafür brauchen. Dabei ist herausgekommen, dass das Recruiting früher eher eine Dienstleistung war. Die Fachbereiche haben eine Leistung angefordert und wir haben geliefert. Jetzt ist es so, dass wir Führungskräfte beraten, wie sie neue Mitarbeitende finden. Dafür braucht es Kompetenz und Mut. Denn wenn man eine Führungskraft auf der Geschäftsleitungsebene bei der Personalsuche berät, darf man sich nicht einschüchtern lassen, sondern muss auf Augenhöhe agieren.

Wir beraten auch die Bewerberinnen und Bewerber. Denn wir betrachten uns als “Job Guides”, die dabei unterstützen, den richtigen Job im Konzern zu finden. Vielleicht ist die Stelle, auf die sich jemand beworben hat, gar nicht die perfekte Lösung. Wir können helfen, die verschiedenen Möglichkeiten zu analysieren.

Diese Anforderungen an das Recruiting machen den Job spannend. Meiner Beobachtung nach führt dieser Trend dazu, dass die Verweildauer im Recruiting steigt, wenn Recruiterinnen und Recruiter entsprechend entwickelt werden, weil die Aufgaben in diesem Bereich zunehmend interessanter werden. Daher ist Talent Acquisition auch längst kein Einstiegsjob mehr, sondern ein Expertenjob mit entsprechender Bezahlung.

Dafür muss man im Recruiting auch einen gewissen Druck aushalten können. Denn wenn das Personal nicht kommt, wird natürlich trotz allem zuerst bei uns nachgefragt, was genau schiefgelaufen ist.

Interview: Bettina Geuenich

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Bettina Geuenich

Chefredakteurin bei personal manager
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift personal manager und des blog.personal-manager.at. Sie beobachtet seit rund 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.