Time to change: Was junge Menschen jetzt von Arbeitgebenden erwarten

Inflation, Krieg in Europa, Wirtschafts- und Klimakrise: Diese Entwicklungen bereiten jungen Österreicher:innen zwischen 14 und 39 Jahren derzeit große Sorgen, wie ein Studie bestätigt. Rund ein Drittel der Befragten gibt an, unzufrieden mit dem eigenen Leben zu sein. Da sich psychische Belastungen direkt auf die Leistungsfähigkeit auswirken, sind Österreichs Arbeitgeber gefordert, ihre Beschäftigten zu unterstützen. Doch wie kann eine solche Unterstützung aussehen – und was müssten Organisationen dafür verändern?
Junge Arbeitnehmende wünschen sich eine Arbeitswelt, in der Unternehmen besser auf ihre Bedürfnisse eingehen. Diesen Schluss lässt der „Jobselling Report 2023“ zu, für den das Forschungsinstitut marketagent im Auftrag von lifeCREATOR Consulting 1.000 Teilnehmer:innen zwischen 14 und 39 Jahren repräsentativ für Österreich zu ihrer Stimmungslage rund um Leben, Arbeit und Bildung befragt hat. Die Antworten vom Dezember 2022 zeigen, dass ein Drittel der Befragten mit dem Leben unzufrieden ist. Fünf Prozent leiden sogar unter Suizidgedanken. Besonders stark zeichnet sich die Belastung unter Frauen und jüngeren Menschen ab. Zwar geben immerhin 65 Prozent geben an, zufrieden zu sein. Doch die Quote der Unzufriedenen ist hoch.
Wertschätzung, Anerkennung und Vertrauen sind Top-Wünsche von Arbeitnehmer:innen
Psychische Belastungen haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Mitarbeiter:innen. Dennoch erhalten 65 Prozent der Befragten zu wenig oder gar keine Hilfe zur Erleichterung der Lebenssituation durch den Arbeitgeber. Die Studie zeigt, was sich Arbeitnehmer:innen dabei erwarten: Besonders finanzielle Unterstützungen sind – vor allem unter den Frauen – gefragt. Ebenso fordern die Befragten leistungsgerechte Bezahlung, mehr Urlaub und Freizeit, flexiblere Arbeitszeiten und mehr Wertschätzung und Anerkennung durch die Unternehmensführung. Von Vorgesetzten und Kolleg:innen wünschen sie sich vor allem persönliche Wertschätzung und Anerkennung, Aufmunterung, Motivation und Zuspruch. Speziell Vorgesetzte sollten Interesse, Verständnis sowie Einfühlungsvermögen zeigen und ein Vertrauen, dass trotz Freiräumen Aufgaben gewissenhaft erfüllt werden. Eine vertrauensvolle Atmosphäre ist auch bei den Gesprächen mit Kolleg:innen gewünscht. Hochschul-Abgänger:innen erwarten zudem deutlich mehr Urlaub oder Freizeit von ihrem Arbeitgeber.
Aufholbedarf bei flexibleren Arbeitszeitmodellen sowie Verständnis für Familienanliegen
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Arbeitnehmer:innen ein großes Thema. Sie trägt nicht nur zur Chancengleichheit und Diversität in Unternehmen bei, sondern sorgt auch für weniger Stress in Beruf und Alltag. 66 Prozent der berufstätigen Befragten sind mit ihren Kinderbetreuungsmöglichketen und der Vereinbarkeit ihrer Betreuungspflichten mit den Arbeitsbedingungen zufrieden.
Dennoch gibt es Luft nach oben: So wünscht sich beinahe die Hälfte der Befragten, dass Arbeitgeber und Kolleg:innen mehr Verständnis für familiäre Belange aufbringen. Zudem besteht der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten und Zeitmodellen (40 Prozent), mehr (Pflege-)Urlaub (36 Prozent), mehr Homeoffice oder Remote Work (35 Prozent) sowie finanzieller Unterstützungen, um private Betreuungsangebote nutzen zu können (30 Prozent). Besonders im ländlichen Bereich wird der Ruf nach mehr Verständnis rund um das Thema Betreuungspflicht laut. Signifikant ist zudem, dass sich 59 Prozent der Arbeitnehmer:innen die wöchentlich 20 bis 30 Stunden arbeiten, mehr (Pflege-)Urlaub wünschen.
Kombination aus Homeoffice und fixem Arbeitsplatz im Büro ist am beliebtesten
Homeoffice ist nicht nur für Eltern ein wichtiges Anliegen, spätestens mit Beginn der Pandemie rückte das „Arbeiten von Zuhause“ stark in den Mittelpunkt des Lebens vieler Mitarbeiter:innen. Laut dem aktuellen Jobselling Report arbeiten 45 Prozent der Befragten regelmäßig oder zumindest manchmal remote. Am liebsten ist den Österreicher:innen die Kombination aus ortsunabhängigem Arbeiten und einem eigenen, fixen Arbeitsplatz im Büro.
In der Studie wird auch deutlich, was der unbeliebteste Arbeitsort ist: Co-Working Spaces. Lediglich 7 Prozent bevorzugen die Kombination aus Homeoffice und Shared Office, überhaupt nur 5 Prozent das vollständige Arbeiten dort. Die Personengruppen, die signifikant das geringste Stresslevel aufweisen, sind jene, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten können. Wesentlich ist im Homeoffice auch die Ausstattung: Dreiviertel der Befragten ist zufrieden mit dem Equipment, das ihnen zur Verfügung steht. Wünsche an den Arbeitgeber sind dabei vor allem Strom- und Heizkostenzuschüsse, Internetzuschüsse, geeignete Büromöbel, Drucker beziehungsweise Scanner sowie ein Firmenhandy. Gegenüber „Workations“, der Möglichkeit in Urlaubsdestinationen zu arbeiten, sind 60 Prozent der Befragten positiv eingestellt.
Mitarbeiter:innen mit Sicherheit, Fairness und guter Arbeitsatmosphäre im Unternehmen halten
In Zeiten des „War for Talents“ müssen Unternehmen Mitarbeiter:innen nicht nur gewinnen, sondern auch halten und ihre Motivation sowie Leistungsfähigkeit fördern. Das funktioniert laut den Befragten am besten durch
- eine gute Arbeitsatmosphäre,
- die Sicherheit des Arbeitsplatzes,
- ein höheres beziehungsweise sicheres Einkommen sowie
- eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit.
Diese Motivatoren sind besonders Frauen und den Jüngeren zwischen 14 und 19 Jahren wichtig.
Fokus auf die Menschen
Es braucht wieder mehr Fokus auf die Menschen in den Unternehmen. Die Studie zeigt auf, was Menschen wirklich brauchen, nämlich als Mitarbeitende wertgeschätzt und wahrgenommen zu werden. Als Individuum mit allen Potenzialen, Talenten und vor allem auch den Bedürfnissen in der persönlichen und aktuellen Lebenssituation. Das bedingt ein Umdenken und eine neue Unternehmenskultur und Organisationsstruktur. Unternehmen dürfen die Komfortzone verlassen. Neues lernen, ausprobieren und zulassen stehen auf der Agenda.
Aus der Studie ist klar erkennbar, dass die Handlungsfelder der Organisationsentwicklung, Visionen, Strategien und Ziele zu verfolgen, eine performante Unternehmens- und Teamkultur zu entwickeln und organisationales Lernen zu fördern, auf die aktuellen Motive und Erwartungen der Mitarbeitenden nachgeschärft werden sollten. Gerade Führungskräfte werden maßgeblich daran beteiligt sein, wie es gelingt, dass die Potenziale der Mitarbeiter:innen erkannt und genutzt werden. Arbeitnehmer:innen wünschen sich von Vorgesetzten Wertschätzung, Vertrauen, Interesse, Empathie, individuelle Lösungen sowie Verständnis für die Lebenssituation. Für manche vielleicht unbequem mehr als nur Arbeitskräfte in den Mitarbeitenden zu sehen, dennoch ist eines sicher: Das Eingehen auf die Menschen mit ihren unterschiedlichen Potenzialen, Lebenssituationen und Bedürfnissen wird ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg im Personalmanagement sein.
Veranstaltungstipp
Ab 1. Februar 2023 startet die Online-Roadshow zum „Jobselling Report 2023“. Dabei werden mit Expert:innen und Zielgruppenvertreter:innen verschiedene Aspekte der Studie diskutiert. Mehr Infos

Heinz Herczeg
Heinz Herczeg, Gründer und Geschäftsführer von lifeCREATOR CONSULTING, war über 25 Jahre Head of HR in internationalen Konzernen. Er vereint in seinem Kompetenzprofil die drei Disziplinen HR, Marketing und Vertrieb.