Burn-out: Aufblühen statt Ausbrennen

Foto: LaylaBird. iStock

Burn-out ist gerade in Krisenzeiten wie diesen ein ernstzunehmendes Thema. Doch nach wie vor fehlt es an fundiertem Wissen darüber. Daher ist die Gefahr groß, dass Führungskräfte Symptome bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übersehen. Wie Sie Ihre Organisation aufstellen können, um Burn-out vorzubeugen, beschreibt dieser Beitrag.

Burn-out ist kein individuelles Problem, das sich durch „Nein sagen“, Entspannungs- oder Atemübungen einfach lösen lässt, sondern ein berufliches Phänomen. Daher liegt es an Unternehmen und deren Führungskräften, Verantwortung für die Burn-out-Betroffenen zu übernehmen.

Schließlich wirkt sich Burnout auch auf die Unternehmen aus: Im Jahr 2021 sind die Krankenstandstage aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen noch einmal deutlich angestiegen, so der Fehlzeitenreport des Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung Wien (WIFO). Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich die Zahl mehr als verdreifacht. Allein 2019 und 2020 stieg die Quote um je 8,5 Prozent.

Psychische Erkrankungen von Mitarbeitenden treffen Unternehmen auch deshalb so empfindlich, weil die Dauer der Krankenstandstage in diesen Fällen durchschnittlich 42 Tage beträgt – gegenüber einer durchschnittlichen Krankenstandsdauer von 11,7 Tagen pro Person. Burn-out gefährdet somit nicht nur die Gesundheit der Betroffenen, sondern kostet die Unternehmen auch viel Geld.

Quelle: WIFO Fehlzeitenreport 2021

Zahlreiche Faktoren begünstigen das Entstehen psychischer Erkrankungen: Dazu zählen Über-, Mehrfach- und Dauerbelastungen am Arbeitsplatz, laufende Veränderungen, die Kehrseite der Medienwelt (Dauerverfügbarkeit, Entgrenzung, Informationsflut) und hohe Erwartungen an das Leistungsvermögen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Abgesehen davon befindet sich unsere Psyche seit zwei Jahren pandemiebedingt im (Dauer-)Stress – mit vielen Veränderungen und neuen Anforderungen on top zu unseren „ganz normalen Problemen“. Diese Herausforderungen müssen per se keine Risikofaktoren darstellen und auch ein hoher Leistungsanspruch führt nicht automatisch zu Burn-out. Aber es braucht einen gesunden Rahmen, in dem Menschen aufblühen und Leistung bringen können. Aber der Reihe nach:

Was genau ist Burn-out?

Burn-out entsteht nicht von heute auf morgen, entwickelt sich schleichend und manchmal oft lange unbemerkt. Zur Symptomatik gehört auch das Verleugnen der eigenen Burn-out-Gefährdung beziehungsweise der ersten Symptome. Laut Weltgesundheitsorganisation versteht man unter dem Begriff Burn-out ein Syndrom, ausgelöst durch chronischen Arbeitsstress, der nicht erfolgreich bearbeitet werden konnte (ICD-11, International Classification of Diseases 11th Revision). Burn-out bezieht sich dabei jetzt explizit auf den Arbeitskontext und ist daher vor allem ein Arbeits- und Organisationsthema. Die WHO führt in ihrer Klassifikation des Syndroms die folgenden Symptome an:

  • Gefühle von Energiemangel oder Erschöpfung
  • eine zunehmende geistige Distanz zur eigenen Arbeit,
  • Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf die eigene Arbeit
  • ein Gefühl von Ineffizienz und mangelnder Leistungsfähigkeit

Der Mensch selbst fühlt sich ausgebrannt, schwach, lustlos und ist nicht mehr fähig, sich in irgendeiner Weise zu erholen. Einen guten Überblick über den typischen Verlauf eines Burn-outs bietet das Stadienmodell nach Freudenberger/North (1992). Dieses Modell verdeutlicht mögliche Symptome und ist ein gutes Instrument zur Sensibilisierung („Ah ja, das kenne ich auch …“).

Der typische Verlauf eines Burn-outs: Das Stadienmodell von Freudenberger/North (1992)


Anzumerken ist jedoch, dass Betroffene die im Modell beschriebenen Phasen und Symptome oft nicht bewusst wahrnehmen (können). Sie treten auch nicht immer in der angegebenen Reihenfolge auf.

Außerdem umfasst das „Vollbild“ der Burn-out-Symptomatik eine Erschöpfung auf allen Ebenen: körperlich, psychisch, geistig und sozial.

Laut eines Forschungsprojekts des Anton Proksch Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) aus dem Jahr 2017 (also vor Corona) waren zum Zeitpunkt der Erhebung 44 Prozent der befragten 1000 Personen burn-out-gefährdet oder bereits „krank“, davon 19 Prozent im Problemstadium, 17 Prozent im Übergangsstadium und acht Prozent im akuten Erkrankungsstadium.

Wie entsteht Burn-out?


Burn-out-Risiko entsteht prinzipiell aus einem Mix von Belastungen: im Unternehmen, in der Person, im privatfamiliären Bereich, aber auch im gesellschaftlichen/sozialen Bereich. Allerdings zeigen Studien immer wieder die folgenden Hauptfaktoren, die Burn-out begünstigen:

  • unfaire Behandlung in der Arbeit
  • nicht zu bewältigende Arbeitslast
  • Mangel an Rollenklarheit
  • enger Handlungsspielraum, wenig Einfluss und Kontrolle
  • mangelhafte Unterstützung durch und Kommunikation mit der Führungskraft
  • fehlende Anerkennung und Wertschätzung für das Geleistete
  • unrealistischer Zeitdruck
  • Wertekonflikte

Vielfach mangelt es an Erholung, also an Möglichkeit, die eigenen Reserven aufzuladen und Energie zu tanken. Die Gründe für Burn-out zeigen, dass das Syndrom nicht unbedingt seine Wurzel im Individuum hat, sondern dass die Führungsebenen mit Präventionsstrategien gefragt sind.

Wie bemerke ich als Führungskraft erste Anzeichen bei Mitarbeitenden?

Relevant sind das Vorhandensein mehrerer Warnsignale und besonders das Beobachten einer Veränderung über die Zeit. Jeder kann einmal einen schlechten Tag haben, ohne deshalb gleich burn-out-verdächtig zu sein.

Sie müssen als Führungskraft keine Diagnosen stellen oder wissen, um welche psychische Störung es sich handelt. Wichtig sind Sensibilisierung und das Wissen, worauf Sie achten sollten.

Mögliche Warnsymptome und Veränderungen, die Sie bei Ihren Mitarbeitenden beobachten könnten:

  • wirkt nervös und überreizt auf mich
  • ist vergesslicher und unkonzentrierter als früher
  • zieht sich (sozial) zurück
  • wirkt in sich gekehrt, bedrückt, passiv
  • signalisiert eine starke Überforderung
  • ist oft müde
  • klagt häufig über Kopfschmerzen und Schwindel oder verschiedene andere körperliche Beschwerden
  • ist häufig krank bzw. auch krankgeschrieben, es kommt zu vielen Kurzerkrankungen
  • scheint negativ zu sich/zur Arbeit eingestellt zu sein
  • ist weniger leistungsfähig als früher, braucht viel länger, bringt Arbeiten nicht zu Ende, vermeidet bzw. schiebt Tätigkeiten auf
  • ist unsicherer im Arbeitsverhalten, fragt öfters bei bekannten Inhalten nach, kontrolliert wiederholt Arbeitsschritte bzw. Inhalte

Was kann und sollte ich als Führungskraft unternehmen?

Im Umgang mit ersten Anzeichen ist es wichtig, dass Sie als Führungskraft keine Vorwürfe machen und versuchen zu verstehen, dass Menschen mit Burn-out-Anzeichen oft nicht mehr können. Bleiben Sie die ganze Zeit über in Ihrer Führungsrolle und überfordern Sie sich auch nicht selbst. Denn Sie sind kein Therapeut.

Wenn Sie merken, dass es Beschäftigten über einen längeren Zeitraum (als Orientierung: zumindestens vier Wochen) nicht gut geht, sie bedrückt, unkonzentriert oder gereizt wirken oder andere Auffälligkeiten zeigen, die Sie von diesen Personen nicht gewohnt sind, sollten Sie das ansprechen. Vertrauen Sie Ihrer Wahrnehmung. Es geht auch darum, herauszufinden, ob sich ihr Burn-out-Verdacht erhärtet – nicht jede Form von Stress oder Demotivation ist Burn-out. Erzählen Sie, welche Veränderungen Sie beobachtet haben, und erklären Sie, dass Sie sich Gedanken darüber machen, wie es Ihrem Gegenüber geht. Bringen Sie Ihre Sorge im Rahmen Ihrer Fürsorgepflicht als Führungskraft zum Ausdruck. Bleiben Sie bei einer möglichst neutralen Beschreibungen Ihrer Beobachtungen („Wie eine Szene in einem Film“) – ohne Interpretationen und Bewertungen. Das genau ist der Sinn des Gespräches – herauszufinden, worum es gehen könnte und die Sichtweise des Gegenübers zu hören.

Auch wenn Ihr Gegenüber die Rückmeldung oder auch das Gespräch nicht gleich annehmen kann, Sie können als Führungskraft sehr wohl ein „Augenöffner“ sein. Bleiben Sie dran und machen Sie sich Ihrer Rolle und Wirkung bewusst – ein Ansprechen durch Sie als Führungskraft kann auf jeden Fall motivierender für eine Veränderung wirken als bei anderen Personen.

Falls sich der Verdacht verhärtet oder zutrifft, können Sie darüber hinaus:

  • im Gespräch bleiben, zuhören und nachfragen,
  • Ressourcen und Belastungen erfragen
  • mögliche interne fachliche Unterstützung anbieten – zum Beispiel arbeitspsychologi-sche, arbeitsmedizinische Beratung, Coaching,
  • Ausgleich und Regenerationsmöglichkeiten schaffen (zum Beispiel Stopp für Überstun-den und Mehrarbeit) sowie
  • gemeinsam Entlastungsmöglichkeiten überlegen:
    • Welche Arbeiten lassen sich anders organisieren?
    • Was kann die Person selbst zur Verbesserung der Situation beitragen?
    • Was ist Ihr Anteil? Wo können Sie hilfreich sein?

Prävention: Wie sollen wir ein Unternehmen führen, um Burn-out vorzubeugen?

An erster Stelle steht eine Unternehmenskultur, in der Burn-out und psychische Störung enttabuisiert und besprechbar sind. Alle sollten für das Thema sensibilisiert sein. Die Basis dafür ist eine Kultur der psychologischen Sicherheit, in der es möglich ist, Belastungen, Überforderung, persönliche Grenzen und Fehler zuzugeben und auszusprechen, um in weiterer Folge gemeinsam Lösungen zu finden. Psychologische Sicherheit basiert weiters auf Vertrauen und Verletzlichkeit (Berührbarkeit) und einer Führungskultur, die sich traut, auch unangenehme Themen und Gefühle anzusprechen, zuzulassen und die an den Bedürfnissen der Menschen interessiert ist.


Wie könnte das im Führungsalltag konkret aussehen?

  • Erholung ernst nehmen und ermöglichen (z. B. in Form von Pausen/Erholungsphasen während der Arbeitszeit)
  • Kommunikation und Information fördern, um eine sinnstiftende und berechenbare Zusammenarbeit zu schaffen
  • Einen wertschätzenden Umgangston vorleben, der auf gegenseitiger Anerkennung basiert
  • Positive Emotionen stärken und Erfolgserlebnisse vermitteln
  • Vertrauensvolle Beziehungen aufbauen, im Kontakt mit den Mitarbeitenden sein
  • Teamprozesse unterstützen und fördern
  • sich der Vorbildwirkung im Umgang mit der eigenen Gesundheit bewusst sein
  • mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen reflektieren, was motiviert und frustriert
  • Teams in Entscheidungsprozessen einbeziehen und Fragen stellen. Wer fragt, signalisiert, dass die Meinung des Gegenübers wichtig ist. Außerdem gilt: Wer fragt, lernt!

Fazit

Einer der stärksten Hebel gegen Burn-out ist die Sensibilisierung. Wer ein Bewusstsein dafür schafft, wie sich das Erschöpfungssyndrom zeigt und welche Faktoren es begünstigen, hat bereits einen guten Umgang mit Burn-out gefunden.

Regina Nicham
Leiterin des Fachbereichs Arbeits- und Organisationspsychologie , IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH

Regina Nicham leitet den Fachbereich Arbeits- und Organisationspsychologie bei der IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH. Sie ist Arbeits- und Organisationspsychologin, Klinische- und Gesundheitspsychologin, Notfallpsychologin, Hypnosystemischer Coach und Psychotherapeutin.

Regina Nicham

Regina Nicham leitet den Fachbereich Arbeits- und Organisationspsychologie bei der IBG Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH. Sie ist Arbeits- und Organisationspsychologin, Klinische- und Gesundheitspsychologin, Notfallpsychologin, Hypnosystemischer Coach und Psychotherapeutin.

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