HR als Zukunftsmacher im Unternehmen

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Welche Rolle kann HR dabei spielen, die Zukunft von Unternehmen aktiv zu gestalten? Und wie gelingt es uns, strategisches Zukunftsbilder zu entwickeln?

Für die Zukunft können wir aus den Wirtschaftsannalen einiges lernen. So löste einst auf den Weltmeeren das Dampfschiff das Segelschiff ab. Kein einziger Hersteller von Segelschiffen meisterte diesen Technologiesprung. Ganz im Gegenteil: Die Alteingesessenen versuchten, der neuen Antriebskraft mit mehr Segeln Paroli zu bieten, statt die Sache ganz und gar neu anzugehen. Und das ist fast überall so. Die Glühbirne wurde nicht von einem Kerzenhersteller, das Auto nicht von einem Postkutschenbauer und das internetbasierte Bezahlen nicht von einer Bank erfunden.

„Kacheln im Handy? Die Leute wollen telefonieren“, war sich ein Nokia-Oberster sicher. Er hatte keinerlei Vorstellungskraft, wozu „diese komischen Kacheln“ gut sein könnten. Am Ende waren 60 Prozent Weltmarktanteil und 50.000 Arbeitsplätze futsch. Geschichten wie diese gibt es, wie jeder weiß, leider unendlich viele. Doch die meisten Manager glauben, wenn ich sie frage, ihnen könne das nicht passieren. Sie lachen über Nokia und merken nicht, dass sie womöglich selbst das nächste Nokia werden.

Wieso das passieren kann? Der etablierte Anbieter ist Experte für eine Technologie, sagen wir Segelschiffe. In seinem Unternehmen arbeiten lauter Segelbau-Experten, jedoch kein einziges Talent für den Antrieb mit Dampf. Wird dieser Anbieter nun angegriffen, verstärkt er seine Anstrengungen in seiner Kernkompetenz, wird also mehr vom Alten noch besser machen, weil es das Einzige ist, was er kann. Zudem wird er die Stärken des Neuen herunterspielen, weil er sie selbst nicht hat – oder, schlimmer noch, weil er sie nicht mal als solche erkennt. Ein Beispiel gefällig? Ex-Siemens-CEO Joe Kaeser hat Elon Musk einst als Kiffer bezeichnet, der von Peterchens Mondfahrt träumt.

Wie kann ein Unternehmen an die Honigtöpfe der Zukunft gelangen?

Die neuen Player der Wirtschaft begeben sich erst gar nicht auf Aufholjagd. Sie versuchen auch nicht, alte Technologien aufzupeppen. Sie überspringen sie einfach. Herkömmliche Branchengesetze sind ihnen komplett egal. Gewohntes wird radikal infrage gestellt. Unbekümmert kreieren sie die Dinge völlig anders und neu. Dabei entstehen Innovationen, die die Welt so umfassend verändern wie niemals zuvor. Mit Nischengespür ergreifen sie jede Chance, die sich durch die voranschreitende Digitalisierung ergibt. So haben sie längst eine Parallelwelt erschaffen, die sich der Old Economy, wenn überhaupt, höchstens ansatzweise erschließt.

Der digitale Umbruch fegt fast alle vertrauten Spielregeln hinweg. Unerwartete Ereignisse lauern an jeder Ecke. Permanente Vorläufigkeit ist die neue Normalität. „Steuerung und Regelung sind gebunden an Stabilität, an die Vorhersagbarkeit zukünftiger Entwicklungen“, schrieb der viel zu früh verstorbene Systemforscher Peter Kruse bereits vor einer Dekade, und auch: „Für die Zukunft wird offenbar eine nächste Stufe der organisatorischen Intelligenz erforderlich: die Bildung von horizontalen, hierarchie- und bereichsübergreifenden Netzwerken, in denen Einzelne und Teams in freier Dynamik miteinander kooperieren.“

Klar, geredet wird über all das schon lange. Doch das Wesentliche bleibt meistens unangetastet. So heißt es seit Jahren, dass Silo-Strukturen aus der Zeit gefallen sind und in einem zunehmend agilen Umfeld nicht mehr funktionieren. Doch (fast) niemand reißt die eigenen Silos konsequent ein. Man dreht zwar an kleinen Schräubchen, nicht aber am großen Rad. Vieles bleibt im „Eigentlich müsste man … “ stecken und hat zu wenig Wumms. „Verbale Aufgeschlossenheit bei anhaltender Verhaltensstarre“ nenne ich das. Wer die Zukunft tatsächlich erreichen will, kann sich das nicht länger leisten.

Der erste notwendige Schritt: strategische Zukunftsbilder entwickeln

Zukunftsbilder kreieren? Für welche Zukunft denn überhaupt? Niemand, wirklich niemand kennt die Zukunft. Doch wir können versuchen, ihr die Ungewissheit zu nehmen, indem wir Hypothesen erstellen für eine Zeit, die noch nicht da ist. Zunächst denkt man sich in den langfristigen Zeithorizont rein. So haben namhafte Consulting-Firmen, Futurologen und Zukunftsforscher mithilfe wissenschaftlicher Methoden Szenarien für eine Vielzahl von Technologien und Industrien entwickelt.

Solche Szenarien sind keine Prognosen, sondern spekulative Zukunftsbilder, die zum Nachdenken anregen sollen. Indem man sich damit befasst, springt man raus aus der Filterblase der eigenen Wahrnehmung und bleibt kontinuierlich an den Trendthemen dran. Jährliche Strategiemeetings reichen längst nicht mehr aus. Dreimonatige Updates sind Minimum, damit das Neue im gesamten Unternehmen zügig Fuß fassen kann.

Trendanalysen, Online-Recherchen, Insights aus fortschrittlichen anderen Branchen, Gespräche mit Zukunftsexperten und denen, die neue Technologien in die Welt bringen, bilden die Grundlage für die Vorausschau. Wen Sie nicht befragen: Ihre Kunden. Diese können zwar sagen, was ihnen heute fehlt, aber nicht, was sie in beispielsweise zehn Jahren wollen werden. Sie sind, genauso wie die meisten C-Level-Leute, keine Experten für Zukunftstechnologien und können deshalb keine Prognosen abgeben.

Auf dieser Basis empfehle ich, vier Szenarien zu entwickeln:

  • ein Beste-aller-Welten-Szenario,
  • ein Etwas-besser-als-heute-Szenario,
  • ein Etwas-schlechter-als-heute-Szenario,
  • ein Schlimmster-Alptraum-Szenario.

Davon ausgehend denkt man sich dann Schritt für Schritt in das Operative zurück. Auch die systematische Suche nach zukünftigen Wachstumsfeldern kann gar nicht früh genug beginnen. Weshalb HR bei all dem eine treibende Rolle zukommt? HR hat die Aufgabe, die hierfür notwendigen Talente zu finden, zu befähigen und weiterzuentwickeln.

Drei Megatrends: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Kundenzentrierung

Egal, was die Zukunft dem einzelnen Anbieter bringt, drei Megatrend gelten für alle: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Kundenzentrierung. Versteht sich HR als Future Maker im Unternehmen und als treibende Kraft, wird sie interdisziplinäre Taskforces initiieren, die sich selbstkritisch mit Fragen wie diesen befassen:

  • Was bedeuten Klimawandel und Nachhaltigkeitsthemen für unsere Arbeit und uns? Wie können wir helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen?
  • Wie schreitet die Digitalisierung voran, und welchen Nutzen bringt sie unseren Kunden und uns? Wo und wie digitalisieren wir, was digitalisiert werden kann?
  • Wie erreichen wir „Customer first“? Was sind unsere wunden Punkte in Sachen Kundenzentrierung? Wo sind wir besonders angreifbar? Was bringt uns um?
  • Welcher Trend hat das größte Potenzial, unser derzeitiges Geschäftsmodell zu entwurzeln? Und was können wir so früh wie möglich dagegen tun?
  • Wer und was hindert uns am meisten daran, das Notwendige schnellstens anzugehen? Wie schaffen wir Barrieren und Bremser rasch aus dem Weg?
  • Welche Mitarbeitenden, sprich welche Persönlichkeitstypen, Fähigkeiten und Expertisen werden wir für die verschiedenen Szenarien brauchen?
  • Wie schaffen wir Experimentierraum für Talente, die sich als Übermorgengestalter, als Bahnbrecher und ambitionierte First Mover für uns ins Neuland wagen?

Darauf aufbauend entstehen schließlich Maßnahmenpakete in drei Bereichen: So machen wir die Menschen stärker (Future Skills), das Zusammenarbeiten besser (Future Working) und die Innovationskraft im Unternehmen größer (Future Fitness).

Literaturtipp:
Bahn frei für Übermorgengestalter: 25 Quick Wins für Innovatoren und Zukunftsversteher. Von Anne M. Schüller. Gabal Verlag 2022.

Profilbild Anne Schüller
Anne M. Schüller
Businesscoach, Keynote-Speaker, Fachautorin | Website

Anne M. Schüller ist Businesscoach, Keynote-Speaker und Fachbuchautorin. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Veranstaltungen und Fachkongressen. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk Xing zum Spitzenwriter 2018 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager sowie zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.

 

 

 

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Businesscoach, Keynote-Speaker und Fachbuchautorin. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Veranstaltungen und Fachkongressen. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk Xing zum Spitzenwriter 2018 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager sowie zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.      

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