Im Gespräch bleiben: Umgang mit traumatisierten Mitarbeitenden

Foto: Eric Ward, Unsplash

Kriegserlebnisse können Menschen traumatisieren. Was Führungskräfte im Umgang mit Mitarbeitenden aus der Ukraine beachten sollten, die möglicherweise ein Trauma erlitten haben, erklärt Brigitte Lueger-Schuster, Professorin für Psychotraumatologie an der Universität Wien.

Frau Prof. Lueger-Schuster, Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, sind teilweise traumatisiert. Wie entstehen Traumata?

Psychische Traumata entstehen, wenn Menschen Kriegshandlungen miterleben, zum Beispiel Bombardierungen oder Erschießungen. Auch wenn wir Gewalt in der Familie erfahren oder in einen schweren Unfall involviert sind, bei dem nahe stehende Angehörige sterben oder schwer verletzt werden, löst das Traumata aus. Ein Trauma ist immer etwas, das mit Todesgefahr in Verbindung steht – und das führt bei vielen Menschen zu sogenannten Traumafolgestörungen.

Prof. Brigitte Lueger-Schuster (Foto: Uni Wien)

Wie erkenne ich als Führungskraft, ob Mitarbeitende traumatisiert sind?

Eine gute Führungskraft, die von den traumatisierenden Erlebnissen weiß, fragt: „Wie geht es Ihnen?“ Wenn die Menschen dann erzählen, dass sie laufend an die Erlebnisse denken müssen, nicht schlafen können und entweder sehr wütend oder sehr unglücklich sind, sollten Führungskräfte Hilfe anbieten, zum Beispiel an Beratungsstellen wie den Psychosozialen Dienst, pro mente oder andere verweisen.

Sollte man Themen wie Krieg oder Flucht in solchen Gesprächen aktiv ansprechen oder lieber aussparen?

Danach zu fragen, setzt voraus, dass man bereits ein Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitenden aufgebaut hat und spüren kann, wo eine Grenze für sie ist, an der sie nicht weitererzählen möchten. Führungskräfte können stattdessen anbieten, da zu sein und zuzuhören, wenn jemand etwas erzählen will. Sie können signalisieren, dass sie ansprechbar sind und unterstützen wollen.

Wie können sie unterstützen?

Sie können zum Beispiel herausfinden, wo es Schulen für die Kinder der Mitarbeitenden gibt, wie man sich bei der Sozial- und Krankenversicherung anmelden oder Familienbeihilfe beantragen kann. Auf die ankommenden Menschen prasselt so viel Neues ein – und dabei wirklich zur Hand zu gehen, Informationen zu suchen, Websites zu zeigen, ist sehr hilfreich. Führungskräfte sollten im Gespräch mit den Mitarbeitenden bleiben und signalisieren: „Ich bin gerne da für Sie“.

Es hilft auch, wenn sie die neuen Kolleginnen und Kollegen gut in die Teams eingliedern, in denen sie tätig sein werden – also ein echtes Kennenlernen ermöglichen. Das sollte nicht zu viel werden, denn die Menschen sind oft noch geschwächt von allem, was hinter ihnen liegt, und auch sehr beansprucht davon, was sie im Gastgeberland alles lernen müssen. Aber soziale Anbindung macht jedenfalls Sinn.

Welche weiteren Tipps können Sie geben?

Zurzeit sind ja noch nicht so viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich auf Arbeitssuche. Die Menschen müssen sich erst einmal einfinden in der neuen Situation. Es geht darum, zu realisieren, dass man in Sicherheit ist, um dann langsam den eigenen Alltag zu strukturieren. Viele wollen ja möglichst schnell wieder zurück in die Ukraine. Die Vorstellung, sich hier niederzulassen, ist noch nicht bei vielen gegeben.

Aber wenn es einmal so weit ist, dass sie eine Stelle suchen, sollten wir sie auch in den Betrieben als Menschen wahrnehmen, die gerne Leistungen bringen möchten. Wir sollten sie nicht als passive Opfer betrachten, sondern als Mitarbeitende, die gerne etwas beitragen. Gleichwohl sollten wir Abstriche machen, wenn wir merken, dass jemand überfordert ist und noch mehr Unterstützung benötigt. Da geht es um die Haltung, also darum, Menschen umfassend an- und wahrzunehmen, sie nicht in eine Opferrolle zu drängen. Denn das würde sie passiv machen und arm, während sie eigentlich aktiv etwas erreichen möchten.

Interview: Bettina Geuenich

Weiterführende Informationen:

Die Universität Wien hat auf ihrer Website Informationen für Ukrainerinnen und Ukrainer zusammengetragen – teilweise in ukrainischer Sprache. https://ukraine.univie.ac.at/

Blogbeitrag „Geflüchtete aus der Ukraine beschäftigen: Welche arbeitsrechtlichen Regelungen gelten?“ (14.03.2022)

Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift personal manager und des blog.personal-manager.at. Sie beobachtet seit rund 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.

Bettina Geuenich

Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift personal manager und des blog.personal-manager.at. Sie beobachtet seit rund 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.

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