Klimawandel: Was leisten Green Finance und Green HRM?

Foto: Jeremy Goldberg, Unsplash

Regen auf dem grönländischen Eisschild, wo es ansonsten immer schneit. Überschwemmungen, Hurrikane oder Dürren sorgen regelmäßig für menschliches Leid. Der rasante Anstieg der Erderwärmung beschäftigt nicht nur die jungen Menschen, die sich seit 2018 in der Initiative Fridays for Future organisieren. 51 Jahre, nachdem die Wissenschaft im Club of Rome vor den Auswirkungen des entgrenzten Wachstums auf die Ökosysteme warnte, hat der Klimawandel Gesellschaft, Politik und Unternehmen erreicht. Wie können Sustainable Finance und Green HRM dazu beitragen, die Klimawende zu schaffen?

Im Jahr 2019 hat die Europäische Union den Green Deal ausgerufen. Mit einer ambitionierten Politik will sie der Verpflichtung des Pariser Klimaabkommens nachkommen, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Zur Erinnerung: Bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 einigten sich 197 Staaten auf ein neues, globales Klimaschutzabkommen. Dieses trat ein Jahr später in Kraft, nachdem es 55 Staaten ratifiziert hatten, die mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgase verantworten. Das Ziel ist die Begrenzung der menschengemachten, globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber den vorindustriellen Werten. Gelingt uns das nicht, steigt der Meeresspiegel, verschwinden Inseln von der Weltkarte. Die Messwerte stimmen nachdenklich, rasches Handeln ist gefragt – in Politik wie Wirtschaft – und hier kommen Sustainable Finance und Green HRM ins Spiel.

Was umfasst der Green Deal?

Mit dem Green Deal startete die Europäische Union den fulminanten Versuch, den europäischen Wirtschaftsraum in Richtung Nachhaltigkeit zu steuern. 1,8 Billionen Euro günstiges Geld stellt die EU für Investitionen in klimafreundliche Technologien zur Verfügung. Die Mitgliedsstaaten haben bereits Wunschlisten für das billige Geld deponiert.

Marktteilnehmer:innen, Investor:innen und Unternehmen kommen allerdings nur dann an das günstige Geld, wenn ihre Investitionen dem extra entwickelten Klassifikationssystem – der EU-Taxonomie – entsprechen. Der Zweck dieses Klassifizierungssystems liegt auf der Hand, die EU will Greenwashing vermeiden. Und das System ist verbindlich: Die EU-Taxonomie ist eine Verordnung, sie gilt unmittelbar und muss nicht in das nationale Recht umgesetzt werden.

Welche Ziele umfasst die EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie umfasst sechs Umweltziele. Für die ersten beiden Umweltziele – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – gibt es seit dem 1. Jänner 2022 klare Kriterien. Das bedeutet: Alle Unternehmen von öffentlichem Interesse, die zur Veröffentlichung einer nicht-finanziellen Erklärung verpflichtet sind, müssen derzeit Angaben über die Taxonomie-Eignung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten machen. Die Kriterien für die restlichen vier Umweltziele beziehungsweise Angaben über die Taxonomie-Konformität sind ab 2023 anwendbar und werden (vorausgesetzt, die CSRD wird unverändert in nationales Recht des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates umgesetzt) damit einen erheblichen Reportingaufwand für betroffene Unternehmen nach sich ziehen.

Abbildung 1: Die 6 Umweltziele der EU-Taxonomie und wie sie eingehalten werden müssen (Quelle: www.ibo.at)

Wann ist ein Ziel taxonomiekonform?  

Woran also ist eine grüne wirtschaftliche Aktivität erkennbar? Jetzt wird es technisch. Denn um entsprechend der Taxonomie-Verordnung als „grün“ zu gelten, müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens einen wesentlichen Beitrag („Significant Contribution“, SC) zu mindestens einem der in der Taxonomie-Verordnung festgeschriebenen Umweltziele (Abbildung 1) leisten. Gleichzeitig muss das Unternehmen sicherstellen, dass die Aktivität keinem der anderen fünf Ziele „einen erheblichen Schaden“ („Do-no-significant-harm“, DNSH) zufügt und soziale Mindestkriterien erfüllt (Artikel 3 der Taxonomie-Verordnung). Wenn eine wirtschaftliche Aktivität diese drei Kriterien erfüllt, dann spricht man von einer “taxonomy-aligned” (taxonomiekonform) oder „green“ im Sinne der EU-Taxonomie.

Um zu klären, was ein „wesentlicher Beitrag (SC)“ beziehungsweise „ein erheblicher Schaden“ (DNSH) sein soll, hat die Europäische Kommission sogenannte Technische Kriterien („Technical Screening Criteria“, TSC) entwickelt. Konsequenterweise hat sie eine permanente Expert:innengruppe – die Plattform Sustainable Finance – in der Europäischen Kommission eingerichtet, die Vorschläge und Policies zur weiteren Entwicklung der EU-Taxonomie vorlegt.  Sie hat im Juli 2021 einen Entwurf zu einer „Social Taxonomy“ auf der Plattform zur öffentlichen Konsultation gestellt. Eine Entscheidung ist noch ausständig (siehe Plattform on Sustainable Finance | European Commission (europa.eu)). Daraus ist erkennbar, dass sich das Thema EU Taxonomie auch in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln wird und noch nicht final ist.

Welche Unternehmen müssen Nachhaltigkeitsberichte verfassen?

Eine weitere Konsequenz des Green Deals der EU: Mit 2022 wachsen die Berichts- und Offenlegungspflichten nicht nur für Banken, sondern auch für Unternehmen – vorerst für Unternehmen, die von öffentlichem Interesse sind und die zur Veröffentlichung einer nicht-finanziellen Erklärung verpflichtet sind

Abbildung 2: Künftig müssen mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellen (Quelle: KPMG)


Die EU überarbeitet aktuell die Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung. Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) sollen einheitliche europäische Regeln gelten, die Transparenz und Vergleichbarkeit fördern. Künftig müssen nicht nur „große Unternehmen von öffentlichen Interesse“ einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen, sondern alle großen Unternehmen (Abbildung 2). Die CSRD sieht eine verpflichtende Prüfung durch eine dritte unabhängige Partei vor. Bis zur vollen Gültigkeit ab 2024 wird mit der sogenannten „limited assurance“ geprüft. Wichtiger Hinweis: Die Überführung der CSRD in nationales (österreichisches) Recht ist noch ausständig – auch die genauen Details einer Umsetzung in Österreich.

Bereits ab 2022 müssen jene Unternehmen (die zur Veröffentlichung einer nicht-finanziellen Erklärung verpflichtet sind) für die Aktivitäten, die als ökologisch nachhaltig einzustufen sind, folgende Key Performance Indicators (KPIs) offenlegen:

  • Umsatz: Anteil des Umsatzes aus Produkten oder Dienstleistungen, die mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verbunden sind – und
  • CapEx: Anteil der Gesamtinvestitionen (Kapitalausgaben), die sich auf Vermögenswerte oder Prozesse beziehen, die mit ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten verbunden sind – und
  • OpEx: Falls zutreffend, Anteil der Ausgaben (Betriebsausgaben), die sich auf Vermögenswerte oder Prozesse beziehen, die mit ökologisch nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten verbunden sind.

Damit nicht alle Unternehmen ihre eigenen xls-Listen malen, gibt es mit dem ESEF (European Single Electronic Format) ein einheitliches elektronisches Berichtsformat in der EU, das seit 2020 für Finanzberichte von börsennotierten Unternehmen anzuwenden ist. Die CSRD soll dies zukünftig auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – v.a. für die Darstellung von wesentlichen KPI’s der Unternehmen – vorsehen.

Im Fluss: Was ist grüne Energie?

Der Streit um die Definition, was nun grüne Energie sein soll, schwelte seit dem Klimagipfel in Glasgow im November 2021. Getrieben von einflussreichen Ländern der Europäischen Union akzeptiert die EU-Kommission nunmehr eine Klassifikation, die Investitionen in Nuklear- und Gaskraftwerke als grüntauglich und nachhaltig einstuft – zumindest im Übergang, bis ein wirtschaftlicher Umstieg auf andere Energieträger möglich ist – als sogenannte Brückentechnologien.

Gearbeitet wird auch an der Frage, anhand welcher Detailkriterien und in welcher Systematik die Geschäftsberichte verfasst sein sollen. Ebenfalls auf dem Klimagipfel in Glasgow hat die International Financial Reporting Standards (IFRS) Foundation die Gründung des International Sustainability Standards Board (ISSB) bekannt gegeben. Das ISSB ist das internationale Gremium, das künftig für weltweit einheitliche Standards für die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen sorgen wird. Am Tag der Gründung wurden gleich zwei Prototypen veröffentlicht: einmal zu den Allgemeinen Anforderungen an die Offenlegung von nachhaltigkeitsbezogenen Finanzinformationen, zum anderen über die klimabezogene Berichterstattung. Das sind zwar keine offiziellen Standardentwürfe, sie sollen aber als richtungsweisend auf dem Weg der Standardentwicklung verstanden werden.

Nachhaltigkeit im ÖBB-Konzern

Auf dem Weg zur einheitlichen Berichterstattung nach CSRD und EU-Taxonomiekonformität wählen Unternehmen unterschiedliche Wege, um Nachhaltigkeits- und Diversitätsziele zu verankern und einen Transformationsprozess anzustoßen. Im ÖBB-Konzern haben konzernweites Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitsberichterstattung (gesteuert durch die ÖBB-Holding) eine lange Tradition. Der erste Nachhaltigkeitsbericht nach der Global Reporting Initiative (GRI) erschien 2004 und legte den Rahmen für die Weiterentwicklung aller folgenden Nachhaltigkeitsberichte, die öffentlich zugänglich sind.

Dabei orientiert sich der ÖBB-Konzern an den drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Entsprechend vielfältig sind die Vorhaben, die den internen Transformationsprozess vorantreiben. Darunter sind Initiativen zur nachhaltigen Abfallwirtschaft oder zum papierlosen Büro, es geht um energieeffizientes Bauen, aber auch um Innovationen zur ressourcenschonenden und klimafreundlichen Mobilität. Hinzu kommen HR-Initiativen wie die Diversity Charta zum Anheben des Frauenanteils im Gesamtkonzern.

2019 hat der ÖBB-Konzern seine Klimaschutzstrategie 2030 vorgelegt. Seit dem Berichtsjahr 2019 orientiert sich der Nachhaltigkeitsbericht an den 17 Bausteinen der ÖBB-Nachhaltigkeitsstrategie, die auf einer Wesentlichkeitsanalyse beruht und zusätzlich die Sustainable Development-Goals der Vereinten Nationen (SDGs) und die drei Säulen der Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Abbildung 3: 17 Bausteine der ÖBB-Nachhaltigkeit (Quelle, 28.01.2022)

Ein großer Schritt, denn mit der ÖBB-Nachhaltigkeitsstrategie liegt für den Gesamtkonzern für jeden dieser 17 Bausteine eine konzernale Ausrichtung beziehungsweise ein Zielbild vor. Das Nachhaltigkeitsteam der ÖBB Holding steuert die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung der ÖBB Nachhaltigkeitsperformance. Es beschäftigt sich mit einer unternehmensweiten Taskforce damit, die Nachhaltigkeitsziele auszudifferenzieren. Wie ernst dem Unternehmen das Thema ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Nachhaltigkeitsziele, darunter  auch die Umsetzung der Diversity Charta 2026, Bestandteile der Zielvereinbarung für das Topmanagement sind.

ÖBB und Green Finance

Ein nachhaltiges Geschäftsmodell durch nachhaltige Finanzierung zu ergänzen, rundet die Nachhaltigkeitsstrategie der ÖBB ab. Für eine grüne, respektive nachhaltige Finanzierung, müssen die Umweltziele des zu finanzierenden Unternehmens (zum Beispiel einer ÖBB-Teilgesellschaft) der EU-Taxonomie entsprechen und die Kriterien für eine Green Finance (in Abstimmung mit den Investoren/Banken) vorab festgelegt sein. Die ÖBB sehen für Klimaschutz und Green Finance zum Beispiel folgende strategische Ausrichtungen und Ziele vor:

Abbildung 4: Kriterien für Klimaschutz und Green Finance im ÖBB-Konzern

2021 haben die ÖBB analog dazu fünf am Kapitalmarkt operierende Konzerngesellschaften, darunter die Personenverkehr AG, die Rail Cargo Austria AG, die Technischen Services GmbH, die Postbus AG sowie die Produktion GmbH einem erfolgreichen ESG-Rating Prozess unterzogen. Beim ESG-Rating geht es nicht nur um umweltfreundliches und nachhaltiges Wirtschaften. Dazu gehört auch, jene Prozesse zu besprechen, mit denen das Management das Nachhaltigkeitsthema im Unternehmen führt (Abbildung 5).

Abbildung 5: Bereiche, in denen der ÖBB-Konzern Nachhaltigkeit erreichen will.

Die nachhaltigen Finanzierungsformate fokussieren entweder darauf, das Unternehmen ganzheitlich zu entwickeln, oder sie sind strikt auf die Mittelverwendung ausgerichtet. Liegt eine Nachhaltigkeitsstrategie vor, muss bei einer nachhaltigen Finanzierung sichergestellt sein, dass die Projekte, die mit nachhaltigen Finanzinstrumenten finanziert werden, genau das erfüllen, was die Nachhaltigkeitsstrategie vorgibt. Ansonsten spricht man von „ESG-washing“ oder „greenwashing“.

Was leistet Green HRM?

Die Wurzeln des nachhaltigen Personalmanagements reichen wie die gesamte Nachhaltigkeitsdebatte in die 1980er-Jahre zurück. Post Club of Rome werden die Grenzen des Wachstums nicht mehr – wie in den 1970er-Jahren – vor allem wissenschaftlich abstrakt diskutiert. Das Thema bekam mit Corporate Social Responsibility ein neues Etikett, erodierte in die Politik und landete um die Jahrtausendwende schließlich auf der wirtschaftlichen Agenda von Unternehmen. Standardisierungsaktivitäten wie die der Global Reporting Initiative (GRI) tun ihr Übriges und bereiten den Boden für ein breiteres Verständnis, was unter Nachhaltigkeit und CSR zu verstehen ist.

In dieser Denkschule sind Unternehmen dann nachhaltig, wenn sie auf gleichem Niveau ökonomische, soziale und ökologische Ziele verfolgen. Das ist die Geburtsstunde der sogenannten Triple Bottom Line. Unternehmen beginnen entlang der GRI-Richtlinien Nachhaltigkeitsberichte zu legen, veröffentlichen ökonomische Parameter wie Wachstum und Rendite, soziale wie Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, Einhaltung der Arbeits- und Menschenrechte und ökologische wie das Vermeiden von Umweltverschmutzung und Schadstoffen. Die Sensibilisierung in Bezug auf die Umwelt steigt und die konstante Erderwärmung alarmiert. Seit den 2010er-Jahren ist klar, wir werden so die Welt nicht retten.

Es reicht eben nicht aus, wenn ein paar Mitarbeiter:innen fürs Unternehmen kleine Initiativen in diesen drei Bereichen vorantreiben und darüber berichten. Nachhaltiges oder Green HRM ist das Fundament, das Unternehmen befähigt, ihre finanziellen wie sozialen Ziele unter der Maßgabe des ökologischen nachhaltigen Handelns zu erreichen. Es geht also um Skills, um Kompetenzen, um das Wissen der Mitarbeiter:innen darüber, welche ökologischen Folgen unternehmerisches Handeln hat (Abbildung 6).

Abbildung 6: Handlungsfelder des Green HRM nach Adimuthu RamasamyIshmael InoreRichard Sauna (Quelle)

Seit 2011 treibt unter anderen die Wirtschaftsuniversität Wien das Thema in der Personalforschung voran. Unternehmen erkennen, dass sie ihre Nachhaltigkeitsziele nur dann auf den Boden bringen, wenn diese weg vom organisatorischen Orchideendasein in die  Unternehmensphilosophie, das Mindset und in die strategischen Ausrichtung fließen, um interdisziplinär in der Organisation verankert zu sein. So spielt das Personalmanagement der ÖBB eine Rolle dabei, das ökologische Wissen im Unternehmen zu verankern: beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter:innen, in der Personalentwicklung oder im Performance Management.

Beim Besetzen des Topmanagements weist der ÖBB-Konzern in den Stellenausschreibungen darauf hin, dass zu den Grundwerten des Unternehmens der Schutz der Ökologie sowie der barriere- und diskriminierungsfreie Zugang für alle Menschen zählen. Der Top-down-Ansatz ist gerade auch beim umfassenden Verständnis vom nachhaltigen, wirtschaftlichen Handeln geeignet, damit die HR-Prozesse nachziehen können und die Unternehmenskultur in Richtung Klimawandel geformt werden kann.

Denn eines ist mittlerweile allen klar: Die Erderwärmung erhöht sich kontinuierlich und die Uhr tickt!  

Traude Kogoj
Konzernbeauftragte für Gender Diversity , ÖBB

Traude Kogoj ist Konzernbeauftragte für Gender Diversity bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB).

Danijela Nebenführ
Senior Specialist Finanzierung , ÖBB

Danijela Nebenführ ist Senior Specialist Finanzierung bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB).

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