MINT-Jobs: Wie wichtig ist ökologische Nachhaltigkeit?

Ob Elektrotechniker oder Datenmanagerin: Fachkräfte aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), sind aktuell sehr gefragt. Für Unternehmen ist es daher wichtig zu wissen, worauf die Expertinnen und Experten aus diesen Berufsfeldern achten, wenn sie sich auf Arbeitgebersuche machen. Das Beratungsunternehmen Deloitte hat mit der Wien Energie und dem Forschungsinstitut SORA untersucht, welchen Wert MINT-Fachkräfte bei ihrer Jobwahl auf ökologische Nachhaltigkeit legen. Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich, beschreibt die Ergebnisse.

Frau Nowshad, Wenn es um Berufe geht, die mit Umwelt und Klima zu tun haben, fällt schnell der Begriff “Green Jobs”. Was ist das genau?
Green Jobs sind – nach Definition der Europäischen Union – Arbeitsplätze in der Herstellung von Dienstleistungen, Produkten und Technologien, die gezielt Umweltschäden vermeiden und natürliche Ressourcen erhalten. Green Jobs spielen in vielen Unternehmen eine immer größere Rolle sowohl aufgrund der Neuausrichtung von Geschäftsfeldern wie auch aufgrund eines verstärkten Drucks auf Unternehmen, Verantwortung für Umweltschutz und Gesellschaft zu übernehmen. Insbesondere Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future prägen hier vor allem die jüngeren Generationen und damit den Arbeitsmarkt.
Wie gefragt sind diese Jobs derzeit bei Fachkräften aus dem MINT-Bereich?
Wir haben uns in unserer aktuellen Studie mit der Wien Energie und SORA unter anderem dieser Frage gewidmet. Bereits jede vierte befragte Person (26 Prozent) legt Wert darauf, selbst in einem Green Job tätig zu sein. Verstärkt wird diese Erkenntnis auch durch die aktuelle Deloitte Millennial Survey 2021. Die Studie zeigt, dass 44 Prozent der Millennials und GenZ den Klimawandel als besonders besorgniserregend betrachten.
Green Jobs tragen für umweltbewusste Menschen besonders zur Arbeitgeberattraktivität bei. Aber sie erhöhen diese auch für andere Zielgruppen, häufig in Kombination mit anderen Faktoren wie Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben oder Jobsicherheit. Befragte, die in den Bereichen Naturwissenschaft oder Technik tätig sind, sprechen sich besonders für Green Jobs aus. Gerade vor dem Hintergrund sehr knapper Arbeitsmärkte – und das ist bei MINT-Jobs, die im Fokus unserer Studie standen, besonders der Fall – sind diese Erkenntnisse besonders relevant. Unternehmen, die Green Jobs und damit auch Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht fördern, können sich so deutlich von ihren Mitbewerbern differenzieren.

Welchen Einfluss haben Umwelt- und Klimaschutz generell auf die Arbeitgeberwahl?
Umwelt- und Klimaschutz haben einen zunehmend großen Einfluss auf die Arbeitgeberwahl. Laut unserer Studie haben fast 40 Prozent der Befragten eine Affinität zu Klimaschutzbewegungen und würden somit nicht für „Umweltsünder“ arbeiten. Verantwortungsbewusstsein des Arbeitgebers gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft spielt für die Befragten, bereits im Berufsleben stehende MINT-Absolventen und Absolventinnen bis 40 Jahre, eine sehr große Rolle. Das gilt sowohl bei der Wahl eines Arbeitgebers wie auch bei der Entscheidung für den Verbleib im jeweiligen Job.
Allerdings gilt: Lediglich 14 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer denken, dass Green Jobs das halten, was sie versprechen. Hier braucht es deutlich mehr Klarheit über den tatsächlichen Beitrag des eigenen Jobs und der Aktivitäten eines Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit. Durch Greenwashing lassen sich wirklich interessierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht täuschen. Das gilt auch für die soziale Nachhaltigkeit und Diversität.
Obwohl Frauen in technischen Berufen laut den Befragten bereits gefördert werden, besteht bei der Entwicklung von Frauen in Führungspositionen noch Aufholbedarf. Nur 36 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass österreichische Betriebe im technischen Bereich Frauen in Führungspositionen fördern.
Wie groß ist das Angebot an Green Jobs derzeit?
Das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) spricht allgemein von Arbeitsplätzen im Umweltsektor, die einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und nicht an ein Qualifikationsniveau gebunden sind. Laut dieser Definition ist beinahe jeder 20. Arbeitsplatz ein Green Job – diese machen gemeinsam rund zehn Prozent des österreichischen BIP aus. Tatsächlich gehen aber bloß zwölf Prozent der Befragten davon aus, dass es am österreichischen Arbeitsmarkt ein großes Angebot an Green Jobs gibt. Hier besteht also Handlungsbedarf für eine klare, zielgruppengerechte und umfassende Kommunikation und Information seitens der Unternehmen.
Was macht Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber insgesamt attraktiv?
Jungen Talenten geht es um ein attraktives Gesamtpaket, das gesellschaftliche und persönliche Bedürfnisse vereint. Nachhaltigkeit und Innovation spielen bei der Arbeitgeberwahl eine wichtige Rolle, sind aber nicht allein ausschlaggebend. Durch die Coronapandemie hat der Aspekt eines sicheren Arbeitsplatzes für die Arbeitgeberattraktivität stark an Bedeutung gewonnen. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit sowie die Möglichkeit des flexiblen und autonomen Arbeitens sind weiterhin unter den Top-Platzierungen jüngerer Menschen.
Nachhaltigkeit und der Beitrag des eigenen Jobs für die Umwelt erhöhen also die Attraktivität des Arbeitgebers, wenn das Unternehmen auch wirtschaftlich erfolgreich arbeitet, hohe Qualität bietet und führend in Forschung und Innovation ist.
Arbeitsmärkte werden durch den demographischen Wandel, alternative Arbeitsformen und vielfältiger werdende Ansprüche der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer komplexer. Eine genaue Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Zielgruppen ist für Arbeitgeber also unerlässlich.
Interview: Bettina Geuenich
Zur Studie
Für die Studie Green Jobs und Nachhaltigkeit: Was einen attraktiven Arbeitgeber im MINT-Bereich ausmacht haben Deloitte Consulting, Wien Energie und das Forschungsinstitut SORA in einer
- Sekundäranalyse den aktuellen Forschungsstand zum Thema erhoben,
- in einer quantitativen Befragung im Sommer 2021 176 Berufstätige im Alter zwischen 25 und 40 Jahren befragt, die Absolventinnen und Absolventen einer Lehre, BMS, HTL oder eines Studiums aus den Bereichen Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind, sowie - in qualitativen Interviews mit Expertinnen und Experten aus dem Personalmanagement die Thesen und Interpretationen überprüft, die nach der quantitativen Befragung aufgestellt wurden.
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift personal manager und des blog.personal-manager.at. Sie beobachtet seit rund 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.