Wiener Städtische startet Jobgame „Check die Lehre“

Die Wiener Städtische ist der größte Lehrlingsausbildner der Branche in Österreich. 150 junge Menschen absolvieren derzeit eine Lehre als Versicherungskauffrau/-mann im Unternehmen – und der Versicherer plant, 100 weitere Nachwuchskräfte aufzunehmen. Für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber hat die Wiener Städtische das „Check die Lehre“-Jobgame entwickelt, das seit Oktober online ist. Welche Ziele das Unternehmen mit dem digitalen Spiel verfolgt, erzählt Kathrin Donhauser, Leiterin Recruiting bei der Wiener Städtischen, im Interview.

Frau Donhauser, einige Branchen klagen über Lehrlingsmangel. Wie schaut es in der Versicherungsbranche aus?
Wir erleben durch die Krise eher einen Zuwachs an Bewerbungen. Denn Werte wie Stabilität oder Sicherheit sind gefragter denn je. Aber für Jugendliche stellt es oftmals eine Herausforderung dar, sich in so jungem Alter für einen Beruf, den man vielleicht auch noch gar nicht kennt, zu entscheiden. Daher haben wir schon immer großen Wert darauf gelegt, die Kandidatinnen und Kandidaten in Erstgesprächen darüber zu informieren, was sie in diesem Beruf genau erwartet. Nach der Lehre arbeiten die Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger bei uns im Vertrieb und bauen sich einen eigenen Kundenstock auf. Dabei müssen sie sehr selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten. Vielen Jugendlichen fällt es schwer, abzuschätzen, ob sie für diesen Job geeignet sind.
Hier kommt dann also das Jobgame ins Spiel?
Genau. Mit dem „Check die Lehre“-Jobgame wollen wir Einblicke in das Unternehmen und in den zukünftigen Arbeitsalltag geben. Es zeigt, was die jungen Leute in der Ausbildung und später im Job erwartet – und das vermitteln wir anhand von Alltagssituationen.
Wie ist das Spiel aufgebaut?
Wir haben das Spiel in drei Missionen aufgebaut. Im Online-Game werden Kundengespräche simuliert – und die Spielerinnen und Spieler lernen, wie Beratungsprozesse ablaufen, welche Versicherungsprodukte in bestimmten Lebenssituationen passen und warum Menschen überhaupt Versicherungen brauchen. Das heißt, sie können in die Praxis einsteigen und herausfinden, ob der Job zu ihrem Charakter und den Interessen passt.

Und so finden Sie im besten Fall Lehrlinge, die besser darüber informiert sind, was sie später im Unternehmen erwartet.
Ja, und außerdem sprechen wir eine breitere Zielgruppe an als bisher. Wir stellen nämlich zunehmend fest, dass wir mit klassischen Stelleninseraten auf Online-Plattformen nicht weiterkommen. Sie gehen an der Zielgruppe vielfach vorbei. Junge Leute sind heute woanders zu finden. Social Media-Kanäle sind für uns im Recruiting sehr wichtig, deshalb haben wir auch mit ,Check die Lehre‘ eine eigene Seite geschaffen. Die Ansprache dort muss lebendig, spannend und interaktiv sein – und darf nicht zu viel Zeit kosten. Da passt ein Spiel sehr gut, das junge Menschen per Link im Freundeskreis teilen oder mit den Eltern durchspielen können. Somit ist das Spiel eine ideale Ergänzung zum klassischen Stelleninserat.
Worauf haben Sie bei der Entwicklung des Jobgames geachtet?
Wir wollten sehr authentische Einblicke geben und zeigen, wie der Berufsalltag wirklich ist. Daher sind alle Protagonistinnen und Protagonisten in dem Spiel Mitarbeitende und Lehrlinge der Wiener Städtischen. Wir haben das Spiel mit ihnen in Workshops entwickelt – und später auch mit ihnen zuerst ausprobiert, um sicherzustellen, dass sie sich damit identifizieren können.
Wie wird das Spiel bisher angenommen?
Wir bekommen viele positive Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen sowie Kundinnen und Kunden. Bevor das Spiel am 12. Oktober live ging, gab es einen Probelauf an einer burgenländischen Mittelschule, um die Usability zu testen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Spiel bei Schülerinnen und Schülern ankommt. Die Rückmeldung war, dass es sehr gute Einblicke gibt, bei der Entscheidung unterstützt und sehr ansprechend gestaltet ist. Und es freut uns sehr, dass wir den HR Award gewonnen haben.
Wie haben Sie das Spiel verbreitet?
Wir haben zunächst via Presseaussendungen und internem Newsletter darüber berichtet. Es wird mittels QR-Code in unsere Jobinserate eingebunden und ist auf unserer Karriereseite abrufbar. Außerdem veröffentlichen wir regelmäßig Postings auf Facebook, Instagram und LinkedIn.
Welche Tipps können Sie anderen Unternehmen geben, die sich ein ähnliches Projekt vornehmen?
Die Organisation wurde durch Corona und die begleitenden Sicherheitsvorkehrungen stark beeinflusst. Die Planung und die Durchführung sind zu anderen Zeiten sicher einfacher. Ein riesen Vorteil war für uns, die eigenen Mitarbeitenden in das Projekt einzubinden. Denn sie identifizieren sich stark damit und sind unheimlich stolz, mitzuwirken. Das merkt man dem Spiel auch an. Somit würde ich auf jeden Fall empfehlen, auf das eigene Team zu setzen, statt Schauspieler zu engagieren. Schauspieler würden das so nicht hinbekommen.
Interview: Bettina Geuenich
Bettina Geuenich ist die Chefredakteurin der Fachzeitschrift personal manager und des blog.personal-manager.at. Sie beobachtet seit rund 20 Jahren die HR-Szene in Österreich und schreibt darüber.