Trennungsmanagement online: Fluch oder Segen für das HR-Management?

In den vergangenen Monaten musste das Trennungsmanagement teilweise digital funktionieren. Unternehmen haben verstärkt auf technische Lösungen und digitale Kommunikationsmittel zurückgegriffen, wenn Trennungsgespräche anstanden. Kann das funktionieren – oder bleibt das Menschliche dabei auf der Strecke?
Viele Jahre gab es in puncto Trennungsmanagement nur wenig Bewegung. Schon ein wenig langweilig wurden die gebetsmühlenartigen Wiederholungen, welchen Nutzen einvernehmliche Trennungsprozesse für die Unternehmen haben. Mit der Pandemie ist wieder Bewegung in dieses Thema gekommen und die HR-Managerinnen und -Manager standen plötzlich vor komplett neuen Herausforderungen, wenn Trennungsprozesse anstanden.
In den vergangenen Monaten überschlugen sich die Meldungen, welches Unternehmen wann, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freisetzen wird. Eurest, Doppelmayr, Greiner, AVL List, Casinos Austria: Die Liste der Arbeitgeber, die währen der Pandemie Stellen abgebaut haben, ist lang. Für betroffene Beschäftigte, für HR-Verantwortlichen und Führungskräfte fanden diese Trennungen unter erschwerten Bedingungen statt. Ein Lockdown folgte dem nächsten, Unternehmensstandorte mussten schließen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter saßen im Homeoffice. Die Möglichkeiten, sich persönlich auszutauschen, waren extrem eingeschränkt.
Kündigung per Zoom
Das veränderte die Art und Weise, wie sich Unternehmen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trennen – nicht immer zum Guten. So kündigte ein namhafter E-Scooter-Provider, der seine Leistungen auch in Österreich anbietet, in einem 120-sekündigen Zoomcall mehrere hundert Beschäftigte gleichzeitig. Die Kamera blieb abgeschaltet und eine Stimme gab emotionslos bekannt, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht mehr zur Belegschaft gehören. Ein Tiroler Unternehmen informierte die Beschäftigten zwar im Betrieb, aber über rot aufblinkende Namen auf einer großen Anzeigetafel in der Empfangshalle darüber, wer in Zukunft nicht mehr für das Unternehmen tätig sein wird. Die Liste an missglückten Abbauszenarien ließe sich an dieser Stelle noch fortsetzen.
Offensichtlich kam so mancher Führungskraft der Einsatz von Technologien gerade recht, um sämtliche Grundpfeiler menschenwürdiger Trennungsprozessen außer Acht zu lassen. Oder war es schlichtweg das fehlende Know-how im Umgang mit der komplett veränderten Situation beziehungsweise den technischen Möglichkeiten? So ganz wird es rückblickend wohl nicht mehr nachzuvollziehen sein. Und ja, missglückte Trennungsprozesse gab es schon vor der Pandemie, könnte man einwenden.
Herausforderung für HR-Abteilungen
Viele Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren mit Trennungsmanagement auseinandergesetzt und Prozesse dafür aufgesetzt. Das einstige Tabuthema wurde Schritt für Schritt enttabuisiert und bearbeitet. Doch viele gut durchdachte Prozesse funktionierten unter den neuen Rahmenbedingungen nur bedingt. Denn sie bauen großteils auf die persönliche Anwesenheit aller Beteiligten auf. So gut wie niemand beschäftigte sich vor der Coronakrise mit Online-Trennungsszenarien. Auch während der Pandemie wurden nur in ganz seltenen Ausnahmen diesbezügliche Überlegungen angestellt. Das zeigt eine von uns durchgeführte nicht repräsentative Umfrage unter zehn HR-Verantwortlichen von Großkonzernen und klein- und mittelständigen Betrieben in Österreich über persönliche Interviews.
Lediglich eine HR-Managerin eines internationalen Großkonzerns hatte schon bei Pandemie-Start Überlegungen in Richtung eines Online-Trennungsmanagement angestellt, wurde aber vom Betriebsrat gestoppt. Natürlich war es in vielen internationalen Konzernen schon immer üblich, zumindest einzelne Trennungsgespräche hybrid zu führen. Nur die Gespräche allein machen aber noch kein Online-Trennungsmanagement aus. Laut unserer Umfrage rechnete vor Corona niemand damit, Personalabbauprojekte für mehr als hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschließlich online durchzuführen. Genau vor dieser Herausforderung standen jedoch in den letzten Monaten einige HR-Abteilungen.
Risiken eines Online-Stellenabbaus
Die große Kunst eines Stellenabbaus besteht darin, dass vor der Ankündigung durch die Geschäftsführung keine Informationen an die Öffentlichkeit dringen. Sobald die Information einmal draußen ist, muss das Unternehmen dafür sorgen, dass die Gerüchteküche nicht überbrodelt und eine derartige Negativspirale annimmt, dass am Ende des Tages keine einvernehmlichen Einigungen mit den Betroffenen mehr möglich sind. Um das zu gewährleisten, können HR und Führungskräfte – zu normalen Zeiten – in vielen Einzel- und Teamgesprächen und informellen Tür-und-Angelgesprächen die Stimmung auf einem einigermaßen neutralen Level halten. Das Kommunikationsniveau wird in dieser Zeit verdrei- bis verfünfacht, sagt eine alte Daumenregel.
Viele dieser Gespräche sind aber bei einer Standortschließung nicht möglich, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause im Homeoffice sitzen. Dadurch sind sie schwieriger informell zu erreichen – und wollen möglicherweise auch nicht erreicht werden. Die Schwierigkeit besteht also darin, alle Betroffenen kommunikativ abzuholen und regelmäßig mit den aktuellsten Informationen zu versorgen. Denn das Informationskarussel dreht sich in jedem Fall weiter, bleibt nur die Frage, ob die HR-Abteilung die Informationen verteilt oder ob sie in der Gerüchteküche erfunden werden.
Neue Lösungen für geänderte Rahmenbedingungen
In den vergangenen Monaten haben einige Unternehmen im Trennungsmanagement neue Prozesse und Vorgehensweisen ausprobiert. So hat ein österreichischer Konzern den Stellenabbau unter Berücksichtigung der Hygienebestimmungen (Abstand und Tests) bei einer Präsenzveranstaltung angekündigt. Die darauf folgenden Trennungsgespräche fanden online statt. Inwieweit dies möglich ist, orientiert sich natürlich am Raumangebot im Unternehmen. Große Werkshallen eignen sich dazu sehr gut. Wichtig ist, dass die Geschäftsführung persönlich anwesend ist.
Die Zeit zwischen der Ankündigung und der Unterschrift der Auflösungsvereinbarung ist kritisch, ganz besonders, wenn niemand persönlich vor Ort ist. In dieser Zeitspanne ist es wichtig, den Kontakt zu den Betroffenen zu halten – auch über die Distanz.
Unternehmen können zum Beispiel auf der Website einen Bereich einrichten, um über den Sozialplan zu informieren oder Informationsveranstaltungen und Workshops anzukündigen. Die Betroffenen können in einem digitalen Workshop die New-Outplacement-Beraterinnen kennen lernen oder einen Vortrag des AMS besuchen, der über Förderungen und die Situation auf dem Arbeitsmarkt informiert. Außerdem könnte der Arbeitgeber die Möglichkeit bieten, über die Internetseite einen Termin bei einem Fotografen für neue Bewerbungsfotos zu buchen. Die Betroffenen werden von der HR-Abteilung, zum Beispiel per E-Mail oder Newsletter, über die Angebote informiert und sie können online teilnehmen. Die Videos der Events kann das Unternehmen im Anschluss auf der Webpage veröffentlichen, damit alle, die keine Zeit hatten, im Nachhinein dabei sein können.
Auf diese Art und Weise lassen sich unterstützende Veranstaltungen auch dann für die Betroffenen organisieren, wenn Präsenzveranstaltungen nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Das kann dazu beitragen, die Stimmung zumindest neutral zu halten und den Mitarbeitenden Perspektiven zu geben. Zeitgleich können Online-Einzelgespräche stattfinden, um individuelle Fragen zu klären.
Was erleben die Bleibenden?
Neben den Betroffenen sind die verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigsten Adressaten eines professionellen Trennungsmanagements (siehe hierzu auch den Beitrag „Empowerment durch Wahrhaftigkeit und Menschenwürde„). Denn sie sollen auch weiterhin in ihr Unternehmen vertrauen können. In Zeiten eines Personalabbaus besteht das Risiko, dass High-Performer abwandern, da die Zukunft eines Unternehmens sehr unsicher ist. Genau diese wollen Unternehmen aber halten – und weiterhin motivieren. Schlechte Trennungsprozesse erreichen aber genau das Gegenteil: Nach einer Studie Studie von Cap Gemini aus dem Jahr 2000 liegt der Produktivitätsverlust im Falle von unprofessionell durchgeführten Veränderungsprozessen bei bis zu 25 Prozent.
Es empfiehlt sich also, verstärkt auf diese Gruppe zuzugehen sowie Einzel- oder Teamgespräche anzubieten, ob organisiert oder spontan bei einem Spaziergang. Bewährt hat sich in diesem Fall auch, gemeinsam mit einem externen Coach einen moderierten Austausch anzubieten – entweder einzeln oder im Team, digital oder in Präsenz.
Was Online-Trennungsgespräche so schwierig macht
Trennungsgespräche sind Dreh- und Angelpunkte, weil sie alles, was zuvor geplant, ausverhandelt und beschlossen wurde, erstmals direkt mit den Betroffenen besprechen. Sie gehören zu den schwierigsten Gesprächen im Wirtschaftsleben überhaupt. In den vergangenen Monaten mussten HR-Verantwortliche diese Gespräche phasenweise ausschließlich online führen – also unter vollkommen neuen Vorzeichen. Aus unserer Befragung geht zwar hervor, dass in vielen Unternehmen einzelne Trennungsgespräche weiterhin persönlich stattfanden, weil die Betriebsräte vielfach darauf bestanden haben. Bei größeren Personalfreisetzungen war dies allerdings nicht mehr möglich.
1. Gefahr der Eskalation
Online-Trennungsgespräche haben eine andere Dynamik als persönliche Gespräche. Das Nähe-Distanz-Verhältnis ist anderes. Dadurch verändert sich auch der Kommunikationsstil. Das lässt sich leicht am Chatverhalten auf Social Media beobachten. Menschen posten unter ihrem Namen teilweise Kommentare, die sie in einem persönlich geführten Gespräch so niemals dem Gegenüber an den Kopf werfen würden. In Online-Gesprächen ist die Distanz gefühlt größer, weshalb Barrieren wegfallen. Das kann dazu führen, dass Gespräche schneller eskalieren.
2. Persönlicher Eindruck fehlt
Ein weiterer Punkt ist, dass es in Online-Trennungsgesprächen viel schwerer fällt, ein Gefühl für den Betroffenen zu entwickeln beziehungsweise im Gespräch zwischen den Zeilen zu lesen. Das bestätigte ein Großteil der HR-Managerinnen und -Manager in der Umfrage. Es lässt sich also schwer sagen, wie Betroffene die schlechte Nachricht aufnehmen.
3. Kollegen können nicht auffangen
Findet das Gespräch am Arbeitsplatz statt, können sich die Betroffenen anschließend mit Kolleginnen und Kollegen austauschen. Bei Online-Gesprächen fällt dieses Auffangen weg. Möglicherweise sind die Betroffenen anschließend komplett allein und ein Nachfassen ist nur schwer möglich. Aus der Forschung wissen wir, dass der Verlust des Arbeitsplatzes für Menschen sehr belastend sein kann. Wenn wir den Einfluss diverser Lebensereignisse auf Menschen auf der „Social Readjustmant Rating Scale“ betrachten, einer Stressskala, dann liegt der Verlust eines Arbeitsplatzes auf dem achten Platz von 43. In Kombination mit einer Pandemiesituation verstärkt sich dies noch einmal erheblich. Derartiges müssen HR-Abteilungen berücksichtigen.
Persönliche Gespräche bevorzugen
Daher ist es weiterhin empfehlenswert, Trennungsgespräche persönlich zu führen, sofern es möglich ist. Ist das nicht der Fall, braucht es neue Sicherungssysteme für die Betroffenen. In vielen Unternehmen übernehmen die Betriebsräte diese Funktion. Wenn das Verhältnis zur Belegschaft gut ist, können diese nach den Trennungsgesprächen auf die Betroffenen zugehen. Menschen brauchen vor allem in schwierigen Situationen den persönlichen Kontakt zu anderen. Viele Inhalte lassen sich gut online behandeln, aber wenn es um persönliche Anteilnahme geht, stoßen Technologien schnell an Grenzen. Führungskräfte können und sollten selbst das Gespräch suchen, aber möglicherwiese auch befreundete Kolleginnen und Kollegen innerhalb des Unternehmens dazu anzuregen, in Kontakt mit Betroffenen zu treten. Von externer Seite lassen sich Auffanggespräche mit einem New/Outplacementberater organisieren – allerdings nur mit dem Einverständnis des oder der Betroffenen. Ansonsten hätte ein solches Gespräch nicht den gewünschten Effekt.
Tipps und No-Gos im Online-Trennungsgespräch
Wenn Führungskräfte und HR Trennungsgespräche online führen müssen, sollten sie einige wichtige Punkte beachten.
- Legen Sie das Setting vorab fest. Vereinbaren Sie insbesondere, dass die Kameras an bleiben. Denn über den Augenkontakt stellen Sie eine Verbindung zum Gegenüber her und transportieren Informationen. Mag sein, dass bei größeren Meetings auf Kameras verzichtet werden kann, bei individuellen Gesprächen keinesfalls.
- Machen Sie auch den Oberkörper sichtbar, sodass Gestiken für das Gegenüber besser wahrnehmbar sind. So entsteht eher das Gefühl, gemeinsam am Tisch zu sitzen. Eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre stellt sich zu einem Großteil über die Körpersprache her und die ist bei Online-Gesprächen nur vermindert möglich. Tendenziell sind Online-Meetings- und Gespräche vergleichsweise kürzer, weil sich aus der besseren Wahrnehmung des Gegenübers im Live-Gespräch sehr oft weiterführende Themen erspüren lassen, die online oft wegfallen. Es entstehen mehr Ruhepausen, die es auszuhalten gilt.
- Last but not least sind die technischen Rahmenbedingungen ein erheblicher Störfaktor. Wenn sich die Beteiligten nicht gegenseitig gut verständigen können, bleibt in letzter Konsequenz nichts übrig, als das Trennungsgespräch zu vertagen. Das lässt sich aber vermeiden, wenn im Vorfeld schon abgeklärt wird, ob die Technik bei allen Anwesenden gut mitspielt. In unserer Umfrage bevorzugen zwar ausnahmslos alle HR-Managerinnen und -Manager ein persönliches Gespräch, jedoch ist im Zweifelsfall ein wertschätzendes und menschliches Miteinander auch in der Online-Welt möglich.
Fazit:
Die Digitalisierung macht auch vor Trennungsprozessen nicht halt. Aktuell sind es vor allem hybride Lösungen, die ein gutes und wertschätzendes Miteinander sehr gut möglich machen. Es hat sich gezeigt, dass Tools wie Zoom oder Teams bei der Gestaltung einvernehmlicher Trennungsprozesse unterstützen können. Allerdings gilt das nur dann, wenn Unternehmen sie professionell einsetzen und die oberste Handlungsprämisse weiterhin darin besteht, aufeinander zu zu gehen. Die Begegnung mit den Betroffenen können und dürfen uns diese Tools nicht ersparen. Das ist vielen HR-Managerinnen und HR-Manager ohnehin schon bewusst. Die ersten Learnings dazu gibt es auch schon. Weitere werden sicherlich noch folgen.
Gutes Gelingen!
Webtipp
https://www.outplacementberatung.co.at/de

Michael Hanschitz
Michael Hanschitz ist Karriere-Coach, Experte für Trennungsmanagement und Outplacement-Berater.