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Movement Learning: Lernen als kontinuierliche Bewegung

E-Learning krankt häufig daran, dass das Interesse der Teilnehmenden mit der Zeit abflaut. Wie es gelingen kann, das Engagement zu erhöhen und nachhaltige Lernprozesse anzustoßen, beschreibt Christoph Schmidt-Mårtensson, Gründer und CEO des Lernanbieters create, im Interview.

Christoph Schmidt-Mårtensson, kurz vor der virtuellen 20-Jahresfeier von create

Viele Unternehmen haben schon einmal erlebt, dass Lernvorhaben nicht nachhaltig wirken, weil die Menschen in den Organisationen sie nicht annehmen. Wie geht es anders?

Eine Antwort darauf ist das Movement Learning. Der Begriff leitet sich aus dem Movement Campaigning ab, einem Begriff aus der Wahlkampfkommunikation. Es geht darum, Gesellschaften anzusprechen und eine Bewegung auszulösen. Denn genauso wie man in einer Demokratie die Wählerinnen und Wähler nicht zwingen kann, bestimmte Haltungen einzunehmen, so können Unternehmen nur sehr begrenzt Veränderungen vorgeben. Es geht also darum, nicht nur ein bestimmtes Training auszurollen, sondern mithilfe von E-Learning Veränderungsprozesse zu starten und zu begleiten.

Wie gelingt ein guter Start ins Movement Learning?

Im herkömmlichen E-Learning drücken wir auf einen Knopf und die Lernmanagement-Plattform ist online. Dann ist unser Job im Prinzip erledigt – und wir prüfen später vielleicht noch ein bisschen, wer die Trainings wirklich absolviert und wer nicht – und gehen dem nach.

Movement Learning funktioniert anders, auch wenn wir ähnliche technische Tools verwenden. Wir haben dabei nicht nur den einen, alles entscheidenden Aufschlag. Das Wichtigste ist, dass wir einen Prozess kontinuierlich begleiten. Das heißt, wir laden die Menschen ein, mit uns auf eine Reise zu gehen. Dabei erklären wir ihnen, dass diese Reise nicht abgeschlossen ist, sondern die nächsten Schritte von ihnen abhängen.

Wie gelingt es, Menschen zum Mitmachen zu bewegen?

Ich diktiere nicht alles bis ins Kleinste vor, sondern setze einen Impuls und sage, „Pass mal auf, es braucht jetzt dich, um die Geschichte weiter zu schreiben“. Ich nutze Storytelling, erzähle also eine Geschichte rund um das Thema, um das es geht. Außerdem ermutige ich dazu, etwas beizutragen. Die E-Learnings gestalte ich etwa so, dass ich bei fast jeder Interaktion sehen kann, was die anderen machen. Das geschieht zum Beispiel über Balken, an denen ich erkennen kann, wie Kolleginnen und Kollegen eine bestimmte Frage beantwortet oder eine Aufgabe gelöst haben. Ich bekomme also mit, dass ich nicht alleine auf dem Weg bin – und das motiviert. Die Lernumgebung ist so gestaltet, dass ich meine persönlichen Lernergebnisse sehe, aber auch die der Gruppe. Das E-Learning wird dann quasi zu einer personalisierten Landingpage.

Können Sie Beispiele geben für die Inhalte einer solchen Lernreise?

Nehmen wir an, es geht beim Movement Learning um Engagement und Retention. Dann könnten die Lernenden eine Simulation durchlaufen, in der ein fiktiver Mitarbeiter zu ihnen sagt: „Ich kündige!“ Die Teilnehmenden in der Rolle der Vorgesetzten sind jetzt gefragt, zu reagieren. Das heißt, da plätschert kein gemütliches E-Learning dahin, sondern jeder einzelne ist gefordert, Lösungswege auszuprobieren. Ein anderes mögliches Thema ist die Digitalisierung. Der Vorstand erklärt, warum dieses Thema für das Unternehmen wichtig ist. Dann ist es an den Mitarbeitenden und den Teams zu entdecken, was das für ihre jeweiligen Bereiche bedeutet.

Wie lässt sich verhindern, dass das Interesse an der Mitarbeit nach den ersten Interaktionen abnimmt?

Die Spannungskurve lässt sich als Dreiklang darstellen (siehe Abbildung unten). Wir entwickeln mit Movement Learning Organisationen, Teams und Individuen. Dabei wechseln die Heldinnen und Helden der Geschichte. Die Organisation darf es am Anfang sein. Das Unternehmen sagt zu Beginn: „Du bist auf der Reise, ich lade dich dazu ein, denn es ist für mich wichtig.“ In Blended-Learning-Settings würde das bei einer Auftaktveranstaltung passieren. Das Problem ist, dass die Engagement-Kurve nach solchen großen Auftaktveranstaltungen oft steil nach unten geht, weil die Motivation nachlässt. Dagegen angehen lässt sich nur mit Partizipation. Wir müssen die einzelnen involvieren. Sie müssen entdecken, warum das Thema für sie wichtig ist, bevor sie in einem nächsten Schritt zusammen im Team daran arbeiten.

Spannungskurve beim Movement Learning: In jeder Phase ändert sich der Held/die Heldin der Geschichte.

Wie verändert sich die Rolle der Personalentwicklung beim Movement Learning?

Die größte Veränderung ist, dass HR und Personalentwicklung ganz intensiv mit der internen Kommunikation zusammenarbeiten. Beide Seiten können viel voneinander lernen. Die Kommunikation ist es zum Beispiel gewohnt, Messages zu verbreiten und Kampagnen zu gestalten. Die L&D-Verantwortlichen wiederum sind gut darin, Teilnehmerinnen und Teilnehmer einzubeziehen. Beides führen wir beim Movement Learning zusammen, um nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Wir gehen davon aus, dass eine Organisation nach der Bewegung nicht mehr dieselbe sein wird wie zuvor.

Woran erkennen Unternehmen, ob Movement Learning das geeignete Instrument für sie ist?

Wenn die Veränderung ein Prozess ist, der nie abgeschlossen ist und der Ausgang der Veränderung ungewiss erscheint,
die Inhalte der Veränderung noch nicht fertig gedacht sind und ich meine Zielgruppe brauche, um es besser zu machen,
wenn der Veränderungsprozess mit einer heterogenen Zielgruppe erfolgt, der ich nicht verordnen kann, den Weg mit mir zu gehen und ich diese Gruppe intrinsisch bewegen muss, damit die kontinuierliche Veränderung gelingt – dann ist Movement Learning das geeignete Instrument.

Veranstaltungstipp: Christoph Schmidt-Mårtensson hält einen Vortrag auf der L&Dpro, die am 30. September 2021 im MVG Museum in München stattfindet. www.lnd-pro.de

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Christoph Schmidt-Mårtensson

Gründer, CEO bei create
Christoph Schmidt-Mårtensson ist Gründer und CEO des Lernanbieters create.