Homeoffice: Unterschiedliche Persönlichkeiten führen mit dem Big-Five-Modell

Digitales Arbeiten wird auch nach der Coronakrise wichtig bleiben. Doch nicht allen Menschen fällt das leicht. Für die Führung ist es wichtig, auf unterschiedliche Persönlichkeiten mit ihren Stärken und Schwächen Rücksicht zu nehmen. Das Big-Five-Modell kann dabei helfen, die Arbeit im Homeoffice produktiv zu gestalten.
Die Big Five
Das Big-Five-Modell (zu Deutsch: Fünf-Faktoren-Modell) ist eines der empirisch am besten validierten Persönlichkeitsmodelle. Es unterscheidet fünf Typen. Alle haben je zwei Ausprägungen ─ wo der eine gesellig ist, zeigt sich der andere eher verschlossen. Die Persönlichkeitseigenschaften, die das Modell beschreibt, haben unterschiedliche Auswirkungen bei der Arbeit im Homeoffice, die Führungskräfte beachten sollten.
Emotionale Stabilität
Hilfreich für die Arbeit im Homeoffice ist eine ausreichende emotionale Stabilität. Emotional stabile Menschen (niedriger Neurotizismus) beschreiben sich als ruhig, ausgeglichen und belastbar. Für Menschen mit hoher Neigung zu Neurotizismus gilt jeweils das Gegenteil.
Emotional stabile Personen brauchen weniger Aufmerksamkeit der Führungskraft, sofern sie gute Rahmenbedingungen und klare Ziele haben – und die Fähigkeiten besitzen, ihre Ziele zu erreichen. Bei geringer emotionaler Stabilität ist ein guter und engmaschiger persönlicher Kontakt mit der Führungskraft wichtig. In stressigen Situationen muss die Führungskraft ausgleichen und beruhigen. Auch klare Regeln und Vereinbarungen zu Zeitmanagement und Erreichbarkeiten sind hier wichtig.

Extraversion
Extrovertierte Menschen sind gesellig, aktiv, energisch und optimistisch. Sie fühlen sich unter Menschen wohl und mögen ein stimulierendes und ereignisreiches Umfeld. Daher sind sie oft weniger zufrieden mit Homeoffice, weil ihnen die Kontakte fehlen. Zu Hause besteht die Gefahr, dass sie das Bedürfnis nach Kontakt über soziale Medien oder andere Entertainmentseiten stillen. Sie tun sich aber auch leichter, über das Internet Kontakte zu pflegen. Führungskräfte sollten mit extrovertierten Mitarbeitern besonders enge (mündliche) Kommunikation halten, um die soziale Isolation im Homeoffice zu minimieren. Dabei ist auch ein Fokus auf außerberufliche Themen wichtiger als bei introvertierten Menschen, die reservierter sind und gerne alleine arbeiten. Bei diesen ist vor allem darauf zu achten, dass sie sich im Homeoffice nicht zu sehr zurückziehen.
Offenheit für Erfahrungen
Personen mit ausgeprägter Offenheit beschreiben sich als wissbegierig, kreativ, experimentierfreudig und unkonventionell. Sie mögen Abwechslung. Daher ist die Arbeit im Homeoffice für sie günstig, wenn diese Neuland darstellt. Menschen, die weniger offen für neue Erfahrungen sind, brauchen eine besondere Unterstützung bei der Anwendung neuer Technologien beziehungsweise neuer Arbeitsprozesse im Homeoffice.
Soziale Verträglichkeit
Merkmale von verträglichen Menschen sind Altruismus, Harmonie, Hilfsbereitschaft und Vertrauen. Unverträgliche Personen zeigen sich hingegen wenig kooperativ, eher konkurrierend, konfliktfreudig und skeptisch, sie widersetzen sich häufig Regeln. Das Vertrauen sozial verträglicher Menschen ist bei der Kooperation auf Distanz besonders wichtig, da hier der persönliche Austausch geringer ist. Mitarbeiter mit geringer Verträglichkeit hingegen betreiben vermehrt Cyberloafing (privates Surfen im Internet), lassen sich stärker von der Arbeit ablenken und können im Homeoffice leichter den Kontakt verlieren. Bei diesen Mitarbeiterinnen ist es wichtig, Ziele klar zu formulieren und zu überprüfen – sowie regelmäßig und deutlich Feedback zu geben.
Gewissenhaftigkeit
Gewissenhafte Menschen zeigen eine stark ausgeprägte Leistungsorientierung, Planungs- und Organisationsfähigkeit. Außerdem sind sie produktiver als weniger gewissenhafte Personen und verfügen über eine hohe intrinsische Motivation. Sie können aber auch zu Perfektionismus und Workaholic-Verhalten neigen. Gewissenhafte Menschen brauchen tendenziell Schutz, wenig Gewissenhafte eher Kontrolle.
Gewissenhafte Mitarbeiter sind aufgrund ihrer Fähigkeiten zu gutem Zeitmanagement und Selbstdisziplin eher geeignet für das Homeoffice. Die Führungskraft muss sie aber vor der Tendenz der Selbstausbeutung schützen, die im Homeoffice besonders stark gegeben ist. Wichtig ist es daher, klare Regeln der (Nicht)Erreichbarkeit zu vereinbaren. Auch realistische Ziele und konstruktives Feedback können Überarbeitung vorbeugen. Gerade für gewissenhafte Menschen ist es wichtig zu sehen, dass ihre Arbeitsleistung bemerkt und geschätzt wird.
Tendenziell neigen weniger gewissenhafte Menschen ebenso wie die weniger verträglichen zu Cyberloafing und anderen Ablenkungen. Dem können Führungskräfte begegnen, indem sie klare Ziele setzen, die sie kontrollieren.
Fazit
Je nach Persönlichkeitstyp kommen Menschen besser oder schlechter mit der Arbeit im Homeoffice zurecht. Das sollten Führungskräfte beachten und möglichst individuell auf Ihre Teammitglieder eingehen. Dabei gilt es, vor allem jene im Blick zu haben, die mehr Unterstützung, Feedback, Vorgaben und Ziele benötigen, um gut arbeiten zu können.
Webtipp:
Leadership & Homeoffice. So gelingt Führung auf Distanz. Von Ruth Simsa und Michael Patak. Linde Verlag 2021.

Ruth Simsa
Ruth Simsa ist Professorin am Institut für Soziologie der Wirtschaftsuniversität Wien, Organisationsberaterin und Führungskräftetrainerin.