Raus aus der Endlosschleife: So unterstützen Sie Mitarbeiter bei Suchtgefährdung

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Foto: Francisco Moreno, Unsplash

Wenn Mitarbeiter einen riskanten Umgang mit Substanzen entwickeln, fällt das früher oder später auch im Unternehmen auf. Statt wegzuschauen und zu hoffen, dass sich das Problem von alleine löst, sollten Führungskräfte möglichst frühzeitig Gespräche führen. Orientierung dafür geben Handlungsleitfäden, die Betriebe im Rahmen von Suchtpräventionsprogrammen festlegen. Solche Leitfäden entlasten Führungskräfte und fördern eine Kultur des Wahrnehmens und Handelns. 

Präventionsgespräche sollen Belastungen bei den Mitarbeitern abfedern, noch bevor es zu gesundheitlichen Auswirkungen kommt. Darüber hinaus  sind die sogenannten Stufenplangespräche das Herzstück suchtpräventiver Handlungsleitfäden. Gespräche nach einem Stufenplan stehen an, wenn berufliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit Substanzkonsum oder Suchtgefährdung steht.

Stufenplan der Intervention

Der Stufenplan ist ein etabliertes Interventionskonzept. In dieser abgestuften Gesprächsfolge sprechen die Führungskräfte zum einen Pflichtverletzungen an, treffen Vereinbarungen und setzen Sanktionen. Zum anderen bieten sie aber auch Hilfe an und empfehlen bei Bedarf, professionelle Suchtberatungs- und Suchtbehandlungseinrichtungen aufzusuchen. Die Gespräche werden mit jeder Stufe verbindlicher, der Gesprächskreis erweitert sich. Bis zu welcher Stufe man gelangt, hängt davon ab, ob die betroffene Person bereit und fähig ist, ihr Verhalten zu verändern. Tritt keine positive Veränderung ein, kann es in letzter Konsequenz zu einer Auflösung des Dienstverhältnisses kommen. Ziel ist jedoch, durch frühzeitige Intervention arbeitsrechtliche Konsequenzen zu verhindern.

Interventionsgespräche in 5 Stufen (Quelle: Institut für Suchtprävention)

Gespräche vorbereiten

Mitarbeiter auf Fehlverhalten im Zusammenhang mit Substanzkonsum oder Suchtgefährdung anzusprechen, gehört sicher zu den herausforderndsten Führungsaufgaben. Die richtige Vorbereitung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Gelingen der Gespräche. Dazu einige Tipps:

  • Notieren Sie über einen längeren Zeitraum möglichst konkret Ihre Wahrnehmungen: Welche Veränderungen gibt es hinsichtlich Arbeitsleistung, Sozialverhalten und äußerem Erscheinungsbild? Was, wann, wie oft?
  • Tauschen Sie sich mit Personen Ihres Vertrauens aus.
  • Sorgen Sie für eine ungestörte Umgebung und ausreichend Zeit für das Gespräch.
  • Stellen Sie sich innerlich gut auf das Gespräch ein: Was wollen Sie erreichen? Was ist aus Ihrer Führungsrolle heraus wichtig?

Struktur schaffen

Achten Sie auf eine sinnvolle Struktur der Gespräche. Denn das erleichtert Ihnen und Ihrem Gesprächspartner, bei der Sache zu bleiben und zu einem guten Ergebnis zu kommen.

  • Geben Sie Anerkennung und stellen Sie Ihre Sorge in den Mittelpunkt: „Ich schätze an Ihnen…in letzter Zeit nehme ich jedoch Veränderungen wahr, die mir Sorge bereiten.“
  • Teilen Sie ihre Beobachtungen mit engem Bezug zum Arbeitskontext mit: „Im letzten Monat kamen Sie vier Mal zu spät und nahmen sich an zwei Tagen kurzfristig Urlaub“, „Bei unserem Meeting habe ich Sie als unerwartet aufbrausend erlebt und dabei eine Alkoholfahne an Ihnen wahrgenommen“.
  • Vermeiden Sie Diskussionen über Konsummengen, eine Bewertung des Konsumverhaltens oder gar Diagnosen.
  • Sprechen Sie jedoch an, dass Substanzkonsum ein Grund für die Versäumnisse sein könnte und empfehlen Sie, diesen in einer Suchtberatungsstelle abklären zu lasen.
  • Treffen sie Vereinbarungen darüber, welche Verhaltenskorrekturen Sie erwarten und bieten Sie Unterstützung bei der Zielerreichung an.
  • Weisen Sie auf den Stufenplan und mögliche Konsequenzen bei fortgesetztem Fehlverhalten hin.
  • Vereinbaren Sie einen Beobachtungszeitraum und einen Folgetermin.
  • Erstellen Sie ein Gesprächsprotokoll.

Herausforderungen und Fallen

Gespräche über Süchte sind nicht einfach. Stellen Sie sich auf die folgenden Herausforderungen und Gesprächsfallen ein:

  • Erwarten Sie keine Zustimmung! Das Ansprechen der Auffälligkeiten ist wichtiger als die Bestätigung des Gesprächspartners. Es zeigt meist Wirkung, auch wenn vordergründig nur Abwehr stattfindet.
  • Lassen Sie sich nicht irritieren durch Verharmlosung des Substanzkonsums („Es ist bisher noch nie vorgekommen, dass ich bei Dienstbeginn unter Einfluss meiner Schlafmittel stand.“) oder Gegenangriffe („Willst du behaupten, dass du nie etwas trinkst?“). Bleiben Sie sachlich bei Ihren eigenen Beobachtungen.
  • Seien Sie vorsichtig bei zu schnellen Versprechungen wie „Das kommt sicher nie wieder vor.“ Achten Sie auf die tatsächliche Entwicklung, die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen und geben Sie dazu Rückmeldung.
  • Einschüchterungen wie, „Das ist doch Mobbing! Wir werden ja sehen, was der Betriebsrat dazu sagt“, verlieren ihre Kraft, wenn es im Unternehmen ein von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite abgestimmtes Vorgehen gibt und die gemeinsame Haltung entwickelt wurde, dass eine frühe Intervention der Gesundheit von suchtgefährdeten Mitarbeitern dient.

Fazit

Je früher suchtbedingte Auffälligkeiten angesprochen werden, desto höher sind die Chancen auf eine positive Entwicklung. Von einem aktiven Vorgehen profitieren sowohl das Unternehmen als auch die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit Führungskräfte konstruktive Stufenplangespräche führen können, sollten sie jedoch durch Suchtpräventionsexperten geschult werden. 

Webtipps

Stepcheck.at/betrieb

Tipps und Checklisten zur Gesprächsführung bei Suchtgefährdung

Veranstaltungstipp

„Handeln statt Wegschauen. Online Seminar zur betrieblichen Suchtprävention“. Interaktives Online-Seminar. 4. November 2021, 13-17 Uhr.

Rosmarie Kranewitter-Wagner

Mag.a Rosmarie Kranewitter-Wagner ist Expertin für betriebliche Suchtprävention und Führungskräftetrainerin am Institut Suchtprävention/pro mente Oberösterreich.

In ihrer Begleitung von Unternehmen stellte sie immer wieder fest, dass betriebliche Suchtpräventionsprogramme dann wirksam sind, wenn sie in einem partizipativen Prozess entwickelt und Führungskräfte ausreichend geschult werden.

Rosmarie Kranewitter-Wagner

Mag.a Rosmarie Kranewitter-Wagner ist Expertin für betriebliche Suchtprävention und Führungskräftetrainerin am Institut Suchtprävention/pro mente Oberösterreich.

In ihrer Begleitung von Unternehmen stellte sie immer wieder fest, dass betriebliche Suchtpräventionsprogramme dann wirksam sind, wenn sie in einem partizipativen Prozess entwickelt und Führungskräfte ausreichend geschult werden.

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