Gesunde Psyche als A & O: Krisen-Fahrplan für Führungskräfte

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Die Coronakrise hat nicht nur dramatische Folgen für unsere psychische und mentale Gesundheit, sondern wirkt sich auch auf die Produktivität der Mitarbeiter aus. Im Rahmen der „3rd Female Power Hour“, einem Online-Event, der an der WU Executive Academy veranstaltet wurde, erörterten Expertinnen und Experten aus Neurowissenschaften und Psychologie, wie sich Pandemie und Homeoffice auf die Psyche der Menschen auswirken und wie Führungskräfte ihre eigene und die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter proaktiv fördern können.

Die Corona-Krise hält nicht nur die ganze Welt in Atem, sie wirkt sich auch auf unsere Gesundheit aus – und zwar auf die körperliche ebenso wie auf die psychische. Soziale Kontakte sind beschränkt, Menschen arbeiten überwiegend im Homeoffice, Stress und Ängste nehmen zu.

„Wir alle sind von den Auswirkungen der Pandemie betroffen – in unterschiedlichen Ausprägungen“, sagt Priyanka Dutta-Passecker, Co-Gründerin und Vorstandsmitglied des Female Leaders Network der WU Executive Academy. Viele seien verunsichert und hätten Ängste, andere würden unter Einsamkeit oder Depressionen leiden. Daher hat die Neuropharmakologin, Startup-Gründerin und Global Executive MBA-Absolventin die „3rd Female Power Hour“ organisiert. Das virtuelle Event wurde vor kurzem im Rahmen des WU EA Female Leaders Network veranstaltet. Thema des mit internationalen Speakern besetzten Talks war: „Reimagining Mental Health in COVID-19 Times“.

Im Folgenden sind die Erkenntnisse des Abends aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zusammengefasst: Was Führungskräfte jetzt wissen sollten und welche Handlungsanleitungen sie aus diesem Wissen ableiten können.

Das sollten Führungskräfte jetzt wissen:

1. Das Gehirn ist der Schlüssel zur Gesundheit der Psyche.

„Verstehen wir die Gesundheit unseres Gehirns besser, können wir auch verstehen, was für mentale und psychische Gesundheit wichtig ist“, sagte Sabina Brennan, irische Neurowissenschaftlerin und Autorin des Buchs „100 days to a younger brain“. Das Gehirn habe eine komplexe Struktur. Social Distancing würde sich auch auf die Gehirngesundheit auswirken, andererseits sei das Gehirn auch durchaus resilient. „Das Gehirn weist die Fähigkeit zur Neuroplastizität auf. Es ist dafür gebaut, sich an neue Situationen flexibel anzupassen, sich zu reorganisieren und zu verändern“, so Brennan. Durch neue Erfahrungen lernt das Gehirn und entwickelt neuronale Netzwerke. Sieben wesentliche Faktoren helfen dabei, das Gehirn gesund und resilient zu erhalten und dabei für die mentalen und psychischen Herausforderungen unserer Zeit gewappnet zu sein:

  • Get physical. Bewegung und Sport sorgen für die so wichtige Sauerstoffzufuhr. Dabei werden Stresshormone wie Cortisol abgebaut und chemische Verbindungen produziert, die die neuronale Vernetzung im Gehirn verbessern. Wer das Herzkreislaufsystem anregt, tut auch etwas für sein Gehirn.
  • Go mental. Konstantes Lernen, bewusstes Erinnern und tägliche kleine Herausforderungen erhöhen die Leistungsfähigkeit des Gehirns. „Damit das Gehirn auch im zunehmenden Alter fit bleibt, ist es wichtig, sich immer wieder selbst zu challengen“, riet Sabina Brennan. Ansonsten würde es ab 60 neuronale Verbindungen abbauen und sogar schrumpfen.
  • Stay social. Der Mensch braucht soziale Kontakte. Allein zehn Minuten soziale Interaktion täglich würden bereits ausreichen, um die Denkleistung zu verbessern.
  • Cherish sleep: Das Gehirn regeneriert sich und verarbeitet das Erlebte im Schlaf. Dafür sei es wichtig, ausreichend zu schlafen und regelmäßige Schlafzeiten einzuhalten.
  • Choose balance: Ebenso wichtig: auf die Ausgewogenheit von Leistung und Erholung, von Arbeit, sozialen Interaktionen, Familie und Zeit für sich selbst zu achten.
  • Be present: Fokus auf das, was im Moment zu tun ist.
  • Keep smiling: Lächeln und lachen ganz generell senken den Cortisol-Spiegel. Unterhaltsame Filme, Podcasts, lockerer Austausch mit Kollegen und Freunden helfen dabei, positiv zu bleiben. Wenn das gerade nicht geht: einfach sich selbst morgens und abends im Spiegel anlächeln.

2. Frauen und Männer reagieren anders.

Und zwar nicht nur auf das Covid-19-Virus, sondern auch hinsichtlich der psychischen und mentalen Folgen der Pandemie. Das erörterte Maria Teresa Ferretti, Neurowissenschaftlerin und Neuroimmunologin und Chief Scientific Officer des „Women’s Brain Project“, das zur psychischen Gesundheit von Frauen forscht. Männer ab dem mittleren bis ins hohe Alter hätten ein deutlich höheres Risiko, an Covid-19 zu sterben als Frauen. Letztere würden allerdings mehr atypische Symptome aufweisen und würden eher an Ängsten, Angststörungen und Depressionen leiden als Männer. Auch würden sich psychische Erkrankungen bei Frauen mit anderen Symptomen zeigen als bei Männern, weshalb eine differenzierte Behandlung unbedingt notwendig ist.

3. Die Coronakrise kann Traumata auslösen und psychische Probleme verstärken.

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Soziale Isolation und Deprivation führe zu massivem psychischem Stress, bestätigte auch Psychologe und Training Consultant Patrick John Psaila. Gerade die Arbeitswelt sei ein wichtiges soziales Feld, sagt der Director der Beratung PsyPotential. „Hier tauschen Leute einander sich aus, entwickeln gemeinsam Ideen und schließen sogar Freundschaften.“ Das sei im Homeoffice und über virtuelle Kommunikation nicht mehr so einfach. Aus seiner Erfahrung mit Klienten und ihrer Rückmeldungen zeige sich aber auch: „Die sozialen Beziehungen werden durch virtuellen Austausch sogar vertieft – wenn er unter vier Augen geschieht“. Zu Beginn der Pandemie habe die Produktivität in den Unternehmen sogar zugenommen. „Mit fortschreitender Dauer beobachten wir im Homeoffice allerdings eine „Isolation Fatigue“ – die Menschen verlieren zunehmend ihre Motivation“. Daher sei es essentiell für die Produktivität, als Führungskraft auch die emotionalen Faktoren der Corona-Krise mitzubedenken.

Das sollten Führungskräfte jetzt tun:

Soziale Beziehungen im Team fördern: Arbeiten im Homeoffice wirkt sich unterschiedlich auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter aus – auch im Hinblick auf die Geschlechter: „Für Frauen ist das Homeoffice mitunter schwieriger, da sie aus dem Berufsleben viel sozialen und emotionalen Support ziehen. Männer nutzen das Arbeitsumfeld eher für die Weiterentwicklung ihrer Karriere und fokussieren sich auf ihre Aufgaben“, so Psaila.

Virtuelle Meetings sollten nicht nur zur Abstimmung und zu Diskussionen stattfinden, sondern auch für „Socialising“. Patrick Psaila empfiehlt einen morgendlichen Check-in mit dem Team, um das Befinden in lockerer Atmosphäre zu besprechen. Führungskräfte könnten ihre Mitarbeiter auch zu Zweier-Gesprächen ermutigen. Das vertiefe die Beziehungen unter den Kollegen und schaffe Raum für persönlicheren Austausch.

Mit Spaß aus dem Motivationstief helfen: Motivation und Freude können durch die Homeoffice-Situation massiv leiden. Mit virtuellen Teambuildings kann auch wieder Spaß Einzug ins Arbeitsleben halten. Hier einen Fixpunkt einzuplanen, kann dem Team helfen, gerade in schwierigen Phasen. Ein Beispiel: Origami falten. Ein Kollege beschreibt allen anderen, wie das Origami zu falten ist. Die Ergebnisse sorgen sicher für Erheiterung.

Flexibilität gewährleisten: Viele Menschen würden laut dem Psychologen im Homeoffice dazu neigen, „always on“ zu sein. Über Laptop und Smartphone bleibt man erreichbar. Führungskräfte sollten dieser Entwicklung gegensteuern, indem sie Ergebnisse nicht sofort und zu jeder Zeit einfordern. Außerdem können sie Mitarbeiter auch hinsichtlich Kinderbetreuung und Ärztebesuchen entgegenkommen. 

Der Zoom-Müdigkeit entgegenwirken. Der anfänglichen „Wir schaffen das“-Euphorie sei eine Müdigkeit in Sachen virtueller Kommunikation gewichen. „Watercooler Moments“ zum Abbau von Stress seien wichtig, wie etwa Bewegung und Auszeiten an der frischen Luft während des Arbeitstages. So könnten Mitarbeiter wieder Energie tanken und leistungsfähig bleiben. Hier sollten Führungskräfte auch Verständnis zeigen und mit gutem Beispiel vorangehen.

Neue Skills erwerben. Remote Leadership benötige andere Skills als die rein physische Führung, führte Patrick Psaila aus. „Ergebnisorientierung, der Umgang mit Technologie und digitalen Tools, Weiterbildung in Richtung Wissensmanagement und virtueller Kommunikation“, seien absolut wichtig.

Aufmerksamkeit auf Gutes lenken. „Unser Gehirn ist einem negativen Bias unterworfen. Es tendiert dazu, Gefahren und Probleme eher wahrzunehmen als Chancen und Möglichkeiten“, sagt Psaila. Daher müssten wir bewusst gegensteuern. „Die Aufmerksamkeit auf Lösungen und Chancen lenken, dankbar sein, für das was man hat und Wertschätzung geben“, empfahl der Psychologe.

Paul Kospach

Mag. Paul Kospach ist Head of Public Relations an der WU Executive Adademy der Wirtschaftsuniversität Wien.

Paul Kospach

Mag. Paul Kospach ist Head of Public Relations an der WU Executive Adademy der Wirtschaftsuniversität Wien.

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