Luft nach oben: Studie untersucht grüne Personalarbeit

Auch wenn das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutzfragen steigt: In der Praxis des Human Resource Managements ist das Thema bislang noch nicht weit verbreitet. Das zeigt die Befragung „Green HRM“ der Wirtschaftsuniversität Wien, der Universität Augsburg und des HRM Research Institutes. Ansätze grüner Personalarbeit sind in einigen Unternehmen jedoch bereits vorhanden.
Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz steigt
Der Umweltschutz hat in den vergangenen Jahren eine hohe mediale Aufmerksamkeit erhalten. Die regelmäßigen Proteste der Bewegung Fridays for Future haben dazu beigetragen, das Bewusstsein für einen „grünen Lebenswandel“ in der Gesellschaft zu steigern. Das hat auch Konsequenzen für die Wirtschaft: Immer mehr Mitarbeiter, Kunden, Partner und andere Stakeholder interessieren sich für Umweltaspekte von Produktionsprozessen, Lieferketten und Arbeitsweisen. Für Unternehmen wird ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen daher zunehmend zum Wirtschaftsfaktor.
Vor diesem Hintergrund hat uns interessiert, inwieweit die Umweltthematik in den Unternehmen – und hier speziell im Human Resource Management – bereits eine Rolle spielt. Wie wichtig ist den Akteuren im Human Resource Management dieses Thema und inwieweit fördern sie es in ihrer HR-Praxis?
Um Antworten auf diese Frage zu finden, haben wir im April und Mai 2020 HR-Verantwortliche, Führungskräfte Geschäftsführer, Vorstände und CEOs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz per Online-Fragebogen um eine Einschätzung gebeten. Detaillierte Informationen zur Studie finden Sie am Ende des Artikels („Zur Studie“).
Umweltfragen für Personalverantwortliche relevant
Den Ergebnissen zufolge räumen die befragten HR-Verantwortlichen, Manager und Führungskräfte Umweltfragen durchaus eine hohe Relevanz ein. So stimmt eine Mehrheit von 86 Prozent der Aussage zu, dass Umweltprobleme zu den größten Herausforderungen unserer Gesellschaft gehören. Ebenfalls 86 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Unternehmen eine breitere gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen.
73 Prozent sagen sogar, dass Unternehmen des eigenen Landes im Bereich des Umweltschutzes eine internationale Vorreiterrolle einnehmen sollten. Besonders groß ist auch die Zustimmung zu der Aussage, dass Corporate Social Responsibility in den Firmengrundsätzen jedes Unternehmens verankert sein sollten (87 Prozent). Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) sehen zudem handfeste Vorteile nachhaltiger Praktiken. Sie glauben, dass Firmen, die als umweltfreundlich gelten, es leichter haben, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten. Etwas weniger Studienteilnehmer (33 Prozent) gehen davon aus, dass Umweltleistungen eines Unternehmens in Zukunft zunehmend von Finanzinstituten berücksichtigt werden.
Green HRM steckt noch in den Kinderschuhen
Während der Großteil der Studienteilnehmer somit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen einen hohen Stellenwert einräumt, sind die Praktiken des Green HRM in der Personalarbeit noch nicht allzu etabliert. Laut unserer Umfrage ist nur eine Praktik in der Mehrheit der Unternehmen verbreitet. So arbeiten 67 Prozent der Befragten in Betrieben, die zumindest teilweise ökologische Ziele für ihre Mitarbeiter setzen. An zweiter und dritter Stelle folgen ökologische Trainings, die Kenntnisse und Fähigkeiten im Umweltmanagement verbessern sollen (36 Prozent) und ökologische Werte fördern (33 Prozent). Ebenfalls ein Drittel der Unternehmen berücksichtigen zumindest teilweise ökologisches Verhalten am Arbeitsplatz in ihren Leistungsbeurteilungen (33 Prozent).

Am wenigsten verbreitet scheinen die Verknüpfung von ökologischem Verhalten mit Anerkennung und Bezahlung sowie die Berücksichtigung ökologischen Verhaltens bei Beförderungen. Hier stimmen insgesamt rund 20 Prozent der Teilnehmer „sehr zu“, „zu“ oder „teils zu“, diese Praktiken im Unternehmen vorzufinden. Interessanterweise zeigt sich ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl an Jahren, die Teilnehmer für ein Unternehmen gearbeitet haben, und deren Einschätzung zur Verbreitung von Green-HRM-Praktiken. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass Personen, die bereits länger im Unternehmen beschäftigt sind, besser über Green-HRM-Praktiken Bescheid wissen und deshalb den Aussagen stärker zustimmen. Eine Praxisempfehlung könnte daher sein, Green-HRM-Praktiken vermehrt auch an neue Mitarbeiter zu kommunizieren.
Green HRM in der Praxis
Auf die Frage, welche zusätzlichen Wege Unternehmen gehen, um Green HRM zu fördern, geben die Studienteilnehmer sehr unterschiedliche Antworten, die von Einzelprojekten bis hin zu unternehmensweiten strategischen Ausrichtungen reichen:
Ein Unternehmen setzt auf Nachhaltigkeitsmanagerinnen und -manager, die das Thema vorantreiben. Andere sagen der Papierverschwendung den Kampf an und steigen auf digitale Lösungen um. Wieder andere verkleinern ihre Dienstwagenflotte und halten die Mitarbeiter an, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Ein Studienteilnehmer berichtet, dass sein Unternehmen bei Entsorgung und Beschaffung auf Umweltaspekte achtet. Ein anderer gibt an, sein Arbeitgeber habe Ziele für nachhaltige Entwicklung in Vision und Mission verankert und sei intern kontinuierlich im Austausch, wie sich diese in den Arbeitsalltag übersetzen ließen. Ein Unternehmen hat seine Umweltleistungen gemäß des „Eco-Management and Audit Scheme“ (EMAS) der EU validieren lassen.
Die große Bandbreite dieser Antworten zeigt einerseits, dass die Unternehmen das Thema Green HRM sehr unterschiedlich angehen, und andererseits, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, grüne Personalarbeit zu leben. In unserer Umfrage haben wir lediglich sechs klassische Praktiken aufgelistet. Weiterführende Ideen für die konkrete Umsetzung von Green HRM und einen internationalen Vergleich finden Sie im Beitrag von Lisa Obereder und Michael Müller-Camen auf Seite 16.
Rolle von HR im Green HRM: Trainer und Kommunikator
Wir wollten etwas genauer wissen, welche Rolle HR in diesem Prozess spielt – und welche die Personalfunktion idealerweise spielen sollte. Dabei haben wir uns auf fünf Rollen fokussiert: den „Enabler“, den „Treiber“, den „Trainer“, den „Ausführenden“ und den „Kommunikator“. Die Rolle des Treibers ist die aktivste, weil HR in dieser Funktion das Thema Green HRM im Unternehmen selbst voranbringt und etabliert. Als Dienstleister fungiert die HR-Funktion hingegen in den Rollen Enabler, Trainer und Kommunikator – jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Denn während der Enabler die Voraussetzungen für Green HRM in der Organisation schafft, vermittelt der Trainer passendes Wissen und entsprechende Fähigkeiten, der Kommunikator wiederum informiert, zum Beispiel über Umweltschutzrichtlinien der Organisation. Besonders passiv erscheint HR in der Rolle des Ausführenden, der Vorgaben von oben lediglich umsetzen muss, ohne großen Gestaltungsspielraum zu besitzen.
Wir haben die Studienteilnehmer gefragt, welche Rolle HR in ihren Unternehmen aktuell beim nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen spielt. Ähnlich wie bei den Fragen zu den Green-HRM-Praktiken, drückten die Teilnehmer ihre Zustimmung zu den Aussagen auf einer Skala von 1 (stimme nicht zu) bis 5 (stimme sehr zu) aus (Abbildung 2). Je höher die Werte im Diagramm, desto höher ist also die Zustimmung. Hier zeigt sich, dass HR vor allem als Kommunikator in Erscheinung tritt, es folgen der Trainer und der Ausführende. Aktuell wird HR am wenigsten als in der aktiven Rolle des Treibers wahrgenommen.
Höhere Aktivität von HR erwünscht
Auf die Frage, welche Rolle HR in Sachen Green HRM spielen sollte, zeigt sich ein ähnliches Bild: Auch hier steht die Rolle des Kommunikators an erster Stelle, dicht gefolgt vom Trainer und Enabler. Die passive Rolle des Ausführenden steht hier an letzter Stelle. Auffällig ist, dass sich die Teilnehmer offenbar eine höhere HR-Aktivität in allen genannten Rollen wünschen.

Interessant scheint aber auch, dass weder innerhalb des Ist- noch innerhalb des Soll-Zustands die Rollenverteilungen sonderlich divergieren. In Bezug auf den Ist- versus Soll-Vergleich zeigt sich die größte Differenz beim Treiber und die geringste beim „Ausführenden“.
Green HRM: Konflikte zwischen Individuum und Umwelt
Die Personalabteilung kann helfen, nachhaltigkeitsbezogene Spannungen zu verringern. Da Green HRM idealerweise auch in Gesamtkonzepte unternehmerischer Nachhaltigkeit eingebettet ist, haben wir in der Befragung auch allgemeiner den Umgang mit nachhaltigkeitsbezogenen Spannungen erhoben. Spannungen können zum Beispiel entstehen, wenn der Einzelne eine andere Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit hat als das Unternehmen, die Branche oder das Team.
Interessanterweise zeigt sich diesbezüglich, dass die Befragten im Hinblick auf Nachhaltigkeit insbesondere Spannungen zwischen ihren Interessen und denen der Regierung und etwas weniger stark der eigenen Branche wahrnahmen. Dabei hängt die individuelle Nachhaltigkeitseinstellung signifikant mit politikbezogenen Spannungen zusammen, was nahelegt, dass die Antwortenden insbesondere von der Politik mehr Initiativen zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung erwarten.
Die wahrgenommenen Spannungen im Hinblick auf Branche und Politik stehen weiterhin in einem positiven Zusammenhang mit dem Versuch der Teilnehmenden, aktiv nachhaltigkeitsbezogene Spannungen auf Unternehmensebene aufzulösen. Sie agieren daher wohl oft gemäß des Prinzips „think global, act local“, das heißt, sie versuchen, über das eigene Unternehmen Impulse für Regierungen und Branchen zu geben.
Optimistische Gestalter gefragt
Schließlich zeigt die Auswertung, dass die Bereitschaft der Befragungsteilnehmer, aktiv nachhaltigkeitsbezogene Spannungen auf Unternehmensebene aufzulösen, positiv mit ihrem Score auf der Paradox-Mindset-Skala korreliert. Die Skala erfasst grob gesagt, wie sehr eine Person Spannungen und Paradoxa als anregend und nicht als belastend wahrnimmt. Wer also Widersprüche aushalten kann und sich mit einer positiven Sichtweise an konfligierende Haltungen, Ziele und Interessen annähert, ist eher in der Lage, diesbezügliche Spannungen abzubauen und produktive Lösungen zu finden. Dieser Befund legt nahe, dass es für Personalabteilungen wichtig ist, eine solch positive Wahrnehmung zu fördern und auszubauen, zum Beispiel durch Trainings. Denn so kann HR die Mitarbeitenden dabei bestärken, proaktiv zur Nachhaltigkeit im Unternehmen beizutragen.
Zur Studie
An der explorativen Umfrage „Green HRM“ haben 104 Personen teilgenommen, von denen 65 Prozent weiblich und 35 Prozent männlich sind. Im Durchschnitt sind die Teilnehmer 45 Jahre alt und die Akademikerquote beträgt circa 83 Prozent. Anhand dieser demografischen Merkmale ist auch ersichtlich, dass die Stichprobe nicht vollständig repräsentativ ist. Dennoch gibt sie ein Meinungsbild der Praxis zum Thema Green HRM.
Die Teilnehmer arbeiten in Niederlassungen in Österreich (48 %), Deutschland (41 %) und der Schweiz (11 %).
Die Mehrheit ist in privatwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt (83 %), gefolgt von öffentlicher Verwaltung (11 %) und Non-Profit Organisationen (6 %). Bei den Branchen zeigt sich eine große Vielfalt. Die Top 5 meistgenannten Branchen sind die Beratung (16 %), Dienstleistung (12 %), Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (10 %), IT-Services und Software (10 %), und Produktion und Industrie (10 %). Die meisten Teilnehmer arbeiten zudem in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter (43 %) und gleich viele in mittelständischen (28,5 %) und in kleineren Unternehmen (unter 50 Mitarbeiter: 28,5 %).
Quelle
Dieser Beitrag ist zuerst in Ausgabe 4/2020 der Fachzeitschrift personal manager erschienen. www.personal-manager.at