Workplace Design und Corona: Wie die Krise unsere Büros verändert

Foto zum Beitrag von Sabine Zinke, Wie Corona unsere Arbeit und unsere Büros verändert
Foto: M.O.O.CON

Aktuell diskutieren Unternehmen intensiv über die Rückkehr vom Homeoffice ins Büro. Die Fragen lauten: Wie können wir Abstände einhalten und Begegnungen vermeiden? Müssen wir Schutzwände einrichten und Markierungen anbringen? Wie können wir Teams organisieren und Personenströme leiten? Die Welt der Pandemie wird uns eine Zeit lang begleiten – auch im Workplace Design. Es ist eine organisatorische, regulatorische, einschränkende Welt – und es stellt sich die Frage, welche Rolle das Büro darin einnehmen wird.

Genau hier möchte ich ansetzen: bei der Rolle des Büros. Die Corona-Krise hat uns nämlich – neben all dem Schrecken – auch geholfen, einige Paradigmen über den Haufen zu werfen und Entwicklungen zu beschleunigen. Unsere Arbeitswelt hat sich verändert und in Bezug auf diese Veränderungen gilt es, die Rolle des Büros und damit unsere Bürokonzepte zu überdenken. Werfen wir einen Blick darauf, was sich in den Organisationen in den vergangenen Wochen verändert hat.

  1. Homeoffice beziehungsweise mobiles, flexibles Arbeiten etabliert sich als fixer Bestandteil der Arbeitswelt. Auch dort, wo es vor Corona kaum vorhanden oder nur in Ansätzen denkbar war, muss mobiles Arbeiten jetzt funktionieren. Bei der Wahlfreiheit und der Flexibilität wird es in den einzelnen Unternehmen weiterhin große Unterschiede geben. Doch das Argument „bei uns funktioniert das nicht“ hat ausgedient. Etwas davon wird bleiben.
  2. Digitales und virtuelles Arbeiten ist zu einer Grundfähigkeit geworden. War der selbstverständliche Umgang mit digitalen Meeting- und Konferenz-Tools vor der Corona-Zeit eher ein Thema für international oder remote arbeitende Personen, hat sich die Fähigkeit im Umgang damit massiv verbreitert.
  3. Die technische Ausstattung für mobiles Arbeiten hat sich professionalisiert. Laptop, Smartphone, Headset und Kamera sind keine Sonderausstattung mehr, sondern Standard.
  4. In vielen Bereichen haben wir (notgedrungen) gelernt, ohne Papier auszukommen. Dies wird helfen, den einen oder anderen papiergebundenen Prozess weiter zu überdenken.
  5. Wir haben bemerkt, dass wir Meetings, Konferenzen und sogar (kreative) Workshops ins Virtuelle verlegen können. Zudem haben wir gelernt, mit den entsprechenden Tools immer besser umzugehen. Das wird in Zukunft die eine oder andere Reise in Frage stellen und erübrigen.

Jetzt könnten wir ja sagen: „Das funktioniert ja alles wunderbar“ – abgesehen von den organisatorischen, familiären und ergonomischen Herausforderungen im Homeoffice. Doch lassen wir diese gedanklich einmal kurz beiseite.

Wofür brauchen wir das Büro?

Eine schnelle Umfrage unter Kunden und Kollegen ergab: Es ist nicht der Schreibtisch oder der Computer, nicht das Einzelzimmer oder die Pflanze, die uns derzeit abgehen. Es sind die Kollegen, der Kontakt, der spontane Austausch, das miteinander Kreieren, gemeinsam etwas zu denken und zu entwickeln und auch der Plausch beim Kaffee, das gemeinsame Mittagessen und der Kontakt zu Kunden.

Das ist an sich nichts Neues, aber spannend, weil wir es jetzt so massiv gespürt haben und dieses Fehlen an Kontakt stark ins Bewusstsein gerückt ist. Das zeigt einmal mehr, dass sich die Rolle des Büros wandelt und es notwendig ist, diese im Lichte der Veränderungen zu diskutieren und neu zu definieren.

Begegnen versus Abarbeiten

Wir haben bemerkt, dass wir das Büro als Ort des Abarbeitens nicht unbedingt brauchen. In den vergangenen Wochen haben wir neue Formen der Zusammenarbeit gelernt und unser Repertoire erweitert. Dabei haben wir auch bemerkt, dass es eine Qualität der Interaktion gibt, die sich in virtuellen Meetings und Workshops nur teilweise herstellen lässt. Dafür braucht es einen gemeinsamen Ort. Und ja, wir werden diesen Ort auch weiterhin zum Abarbeiten und Erledigen benötigen. Denn Homeoffice oder Mobile Work wird nur ein Teil unserer Arbeitswelt sein. Schließlich haben auch nicht alle die geeigneten Rahmenbedingungen zuhause.

Aber die Wahl sollte ein integraler Bestandteil unserer Arbeitswelt sein – unabhängig davon, ob Mitarbeiter in der Verwaltung oder in einem Start-up beschäftigt sind. Das Bürokonzept muss es leisten, genau dieser Ort zu sein: Ein Ort des Zusammenkommens, der Begegnungen, des Zusammenarbeitens, des Kreativseins, aber auch ein Ort, an dem man in Ruhe arbeiten und sich konzentrieren kann – mit der passenden Infrastruktur. Wie sich diese Anteile und Qualitäten von Begegnen und Abarbeiten zueinander verhalten, genau das müssen wir unter den neuen Prämissen der Flexibilität diskutieren und neu definieren.

Diese Diskussion wird sind in Unternehmen sehr unterschiedlich gestalten. Die Spannungsfelder und Themen im Workplace Design sind jedoch die gleichen.

Begegnungsorte rücken in den Fokus

Für die kurzfristige Rückkehr ins Büro ist die soziale Komponente des Büros eine besondere Herausforderung. Denn es geht derzeit genau darum, allzu viel Kontakt zu vermeiden. Die meisten Firmen stellen es ihren Mitarbeitern zurzeit daher noch frei, im Homeoffice zu bleiben oder das Büro zu nutzen. Schaffen es die Unternehmen nicht, eine halbwegs angenehme Arbeitsatmosphäre herzustellen und Kontakt zu ermöglichen, werden wohl diejenigen, die im Homeoffice vertretbare Bedingungen vorfinden, dort bleiben. Ein soziales Experiment – wir werden es beobachten.

Workplace Design und Ansteckungsrisiken

In diesem Kontext wird aktuell auch diskutiert, inwieweit offenere Bürokonzepte ein Ansteckungsrisiko fördern. Ist die Rückkehr zu geschlosseneren Konzepten eine Lösung? Meine Position dazu ist, dass wir Büros ja nicht für eine Pandemiesituation bauen. Wie wir gesehen haben, waren wir unabhängig von den Bürokonzepten nach dem Ausbruch von Covid-19 ganz schnell im Homeoffice. Die Unternehmen haben daraus gelernt und werden ihre Flächen überdenken. Diese werden langfristig kleiner werden. Für das Hochfahren von Büros gilt aber: Es geht um Platz: Offene Flächen bieten Flexibilität, wir können sie mit Möbeln und Panelen strukturieren. Zudem werden die Unternehmen an der Luftqualität arbeiten. Die Rückkehr ins Einzelbüro mag für eine Situation sinnvoll sein, in der Unternehmen den Betrieb langsam wieder hochfahren. Für die Zeit nach der Pandemie ist diese Form des Workplace Designs aber nicht optimal.

Mittelfristig geht es um ein Überdenken der Flexibilität, die das Bürokonzept ermöglicht. Ab einem signifikanten Anteil an Homeoffice beziehungsweise mobilem Arbeiten ist ein Konzept mit fix zugeordneten Arbeitsplätzen nicht zielführend und wirtschaftlich. Wenn neben dem „Abarbeiten“ die „Begegnung“ und die „Zusammenarbeit“ die wichtigsten Funktionen des Büros sind, dann muss sich das auch in der Art und Qualität der Fläche widerspiegeln.

Rückenwind für Desksharing

Den großen Vorbehalten zum Teilen von Büroinfrastruktur wird der Wind aus den Segeln genommen: Bei zwei Tagen Homeoffice pro Woche ist ein persönlicher Arbeitsplatz nur mehr schwer zu argumentieren. Im Workplace Design geht es aber nicht ums Wegnehmen, sondern genau um den Mehrwert, den Unternehmen mit diesen Orten der Zusammenarbeit schaffen.

Wir werden auch lernen müssen, genau zu spüren und zu differenzieren, für welche Qualität von Zusammenarbeit es Tools oder physischen Kontakt braucht. Das bedeutet, der physische und der digitale Workplace werden noch mehr miteinander verschmelzen. Das Büro muss die perfekte Integration leisten.

Das Büro der Abstände und Plexiglaswände wird (hoffentlich) ein temporäres sein. Der Bedarf an Platz und Abstand wird uns noch einige Zeit im Homeoffice halten. Für die nächste Zeit heißt das, es wird einen guten Grund brauchen, um ins Büro gehen zu dürfen.

Profilbild Sabine Zinke
Sabine Zinke
Partnerin , M.O.O.CON | Website

Sabine Zinke ist Partnerin, Prokuristin und Senior Managerin bei der Unternehmensberatung M.O.O.CON, die sich auf die Gestaltung identitätsstiftender und nachhaltiger Gebäude, Prozesse und Arbeitswelten spezialisiert hat. Sie ist dort Managerin für das Geschäftsfeld "Arbeitswelten verändern".

Sabine Zinke

Sabine Zinke ist Partnerin, Prokuristin und Senior Managerin bei der Unternehmensberatung M.O.O.CON, die sich auf die Gestaltung identitätsstiftender und nachhaltiger Gebäude, Prozesse und Arbeitswelten spezialisiert hat. Sie ist dort Managerin für das Geschäftsfeld "Arbeitswelten verändern".

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